August 2010 Archive

AK Zensur veröffentlicht BKA-Dokumente, die zeigen: das »Löschen« wurde bisher halbherzig durchgeführt, deswegen will BKA Sperren

In der Diskussion um die Einführung von Netzsperren wird von Seiten des BKA immer wieder behauptet, dass das Entfernen der Inhalte nicht möglich sei oder zu lange dauere. Erst hieß es, die Inhalte würden aus Bananenrepubliken verbreitet – erst als das Gegenteil nachgewiesen wurde, ließ man diese Behauptung fallen. Nun heißt es, die USA löschen zu langsam. Uns liegen jetzt Dokumente vor, die zeigen, was für aufmerksame Beobachter nicht zu übersehen ist: Die internationale Zusammenarbeit läuft schlecht, die Bemühungen zur Entfernung kinderpornografischer Inhalte waren bisher inkonsequent und unkoordiniert. Dennoch sagt das BKA auf Basis der bis dato gemachten Erfahrungen, Löschen funktioniere nicht gut genug – und betreibt weiterhin massive Lobbyarbeit für Access-Sperren und damit für die Anwendung des Zugangserschwerungsgesetzes.

Das Herumlavieren hat Methode: Noch am 13. August 2009 behauptete BKA-Präsident Jörg Ziercke, man könnte im Internet nicht gegen Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern („Kinderpornografie“) vorgehen, weil diese über Bananenrepubliken und andere so genannte failed states verbreitet werden würden, und man habe da eben keine Möglichkeiten (vgl. MP3-Mitschnitt der Veranstaltung). Dies war die Begründung, warum man denn unbedingt Sperren brauche.

Dabei war dem BKA schon damals bekannt, dass die überwiegende Mehrzahl einschlägiger Angebote auf anderen Sperrlisten aus den USA kommt sowie aus Staaten der EU: Am 9. Juni schrieb Regierungsdirektor Jürgen Maurer (seit Februar 2010 BKA-Vizepräsident) an die Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages eine Zusammenstellung der Länder, aus denen die Inhalte verbreitet werden, die auf der dänischen Sperrliste stehen.

Nur vorgegaukelt!

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Ein Kommentar von Kilian Laurenz.

Die  Frankfurter Allgemeine (Sonntags-) Zeitung hat in ihrer Ausgabe vom 15. August die These aufgestellt, Erfolge der Providerhotline INHOPE beim Löschen kinderpornographischer Inhalte im Netz seien „meist nur vorgegaukelt“.

Das wäre natürlich spektakulär: Der Providerverband eco hätte als nationale Mitgliedsorganisation von INHOPE Erfolge bejubelt, die es gar nicht gab. So ist der Tenor des besagten Artikels von Stefan Tomik. Spiegel Online griff die Story (nach der qualitätsjournalistisch üblichen Gegenrecherche?) eilig auf. Ebenso natürlich die Unbelehrbaren in der Politik.

In den letzten Tagen kamen an verschiedenen Stellen wieder Fragen auf, ob denn gegen das Zugangserschwerungsgesetz eine Verfassungsbeschwerde vorbereitet werde.

Im Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur (AK Zensur) engagieren sich auch ungefähr ein Dutzend Juristen (Rechtsanwälte, Justiziare, Referendare, Studenten), die für das Projekt eine geschlossene Mailingliste betreiben, auf der sie sich zu dem Projekt Verfassungsbeschwerde austauschen sowie Lösungen, Konzepte und juristische Strategien erarbeiten.

Es gibt bislang aber noch keine konkreten Entwürfe, sondern lediglich einen vorläufigen Zeitplan: Das Zugangserschwerungsgesetz trat nach Verkündung im Bundesgesetzblatt am 23. Februar 2010 in Kraft. Nach § 93 Abs. 3 Bundesverfassungserichtsgesetz muß innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten die Verfassungsbeschwerde erhoben werden. Diese Frist werden wir wahren.

Da momentan Urlaubszeit ist, werden erste Diskussionsentwürfe erst im September geschrieben werden. Anfang des vierten Quartales wird dann die Detailarbeit an der Beschwerde stattfinden, um diese danach jederzeit einreichen zu können.

Wir, der AK Zensur, werden rechtzeitig den Kontakt mit weiteren Mitstreitern suchen und an dieser Stelle weiterführende Informationen zu der Verfassungsbeschwerde veröffentlichen. Die Planungen und Überlegungen zur Einreichung einer Verfassungsbeschwerde gegen das Zugangserschwerungsgesetz bedeutet aber keinesfalls, dass wir die politische und journalistische Arbeit oder unser anderweitiges Engagement gegen das Gesetz einstellen.

Ein Kommentar zum Interview mit Martin Stadelmaier über den JMStV

Meinen Kommentar schreibe ich aus medienpädagogischer Sicht, Grundsätzliche Kritik wurde bereits von Alvar Freude geschrieben.

Herr Stadelmaier sagt, dass der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) Kinder und Jugendliche schützt. Das leistet der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag per se nicht. Nur eine Anwendung von Maßnahmen, die Jugendschutz als konzertierte Aktion mit qualifizierender Information, offenem Dialog mit den Betreffenden und nachhaltiger Begleitung realisiert, kann dem Auftrag „Jugend zu schützen“ im Sinne von Sozialisation gerecht werden.