Diskussionsvorschlag: Wie soll es weitergehen?

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Vor mehr als vier Monaten war die Anhörung im Rechtsausschuss zu den drei Aufhebungsgesetzen zum ZugErschwG. Getan hat sich seitdem: nichts!

Politiker, insbesondere aus Reihen der CDU/CSU, fordern immer noch und immer wieder die Internetsperren (obwohl ihnen deren Unsinnigkeit oft genug erklärt wurde). Das Zugangserschwerungsgesetz soll momentan ausgesetzt sein (das BMI weigert sich aber, hierzu nähere Informationen herauszugeben). Die Juristen im AK Zensur haben Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz erhoben und wir sind sehr zuversichtlich, dass das ZugErschwG die Prüfung durch das BVerfG wegen der in diesem Gesetz vorhandenen Grundrechtsverstöße und Fehler im Gesetzgebungsverfahren nicht überstehen wird. Aus den Niederlanden kam vor kurzem die Nachricht, dass die dortigen Provider nicht weiter freiwillig sperren werden, weil es nicht mehr allzuviele zu sperrende Seiten gäbe. In Brüssel werden von Freiwilligen, denen wir auch dafür sehr sehr dankbar sein müssen, viele Hintergrundgespräche geführt, um das politische Vorhaben in sinnvolle Bahnen zu lenken.

Wir sind nach meiner Auffassung auf einem guten Weg, wobei sich aber eine Frage, die Kernfrage, stellt: Wie kann und soll es weitergehen?

 

Ich wünsche mir eine Zukunft, in der im Internet keine Dokumente zu finden sind, die den Mißbrauch von Menschen, insbesondere Kindern, zeigen. Nur: welcher Weg führt dorthin? Wie erreicht man dieses Ziel?

Meine Idee ist, für das Erreichen dieses Zieles einen multilateralem völkerrechtlichem Vertrag einen internationalen Rahmen für das wirksame Löschen zu schaffen (dieser könnte zB in die UN Convention on the Rights of the Child eingefügt oder als Protokoll hierzu erklärt werden).

Dieser Vertrag sollte mindestens folgende vier Kernelemente beinhalten:

 

1. Eine für die Staaten verbindliche Vereinbarung, was unter dem Begriff "Kinderpornografische Inhalte" verstanden wird und dass die Herstellung, Verbreitung, das Zugänglichmachen oder Konsumieren dieser Inhalte unter Strafe gestellt wird.

Dass Dokumente, die Kindesmißbrauch zeigen, praktisch weltweit unter Strafe stehen ist bereits jetzt der Fall. Aber es sollte klar und verbindlich gemacht werden, damit weltweit ein einheitlicher Standard geschaffen wird. Es gibt jedoch Grenzfälle, die nicht eindeutig sind (zB Zechnungen, Texte, wo die Rechtslage divergiert).


2. Jeder Staat benennt eine zentrale Stelle zur Verfolgung von Straftätern, die "kinderpornografische Inhalte" (im Sinne von 1.) herstellen, verbreiten, zugänglich machen oder konsumieren, und stattet sie mit den notwendigen Arbeitsmitteln für eine schnelle und effektive Verfolgung der Täter aus.

Auch dieser Punkt ist in vielen Staaten mutmaßlich schon weitgehend erledigt, aber mir konnte niemand Auskunft geben, in welchen Ländern eine solche Zentralstelle besteht. Der Punkt muß geklärt werden und eine Zentralstelle erscheint mir deswegen sinnvoll, um nicht innerhalb eines Landes verschiedene Ansprechpartner zu haben.


3. Jeder Staat erlaubt den Polizeibehörden der Vertragsländer ausdrücklich, formlose Meldungen an die inländischen Hosting-Provider zu verschicken, wenn auf deren Servern kinderpornografische Inhalte zu finden sind. Zeitgleich werden Polizeibehörden auch verpflichtet, kinderpornografische Inhalte unverzüglich an die Hosting-Provider zu melden.

Das ist das halbwegs "Neue": Das BKA behauptet einerseits ja standfest, dass es solche formlosen Mitteilungen nicht verschicken dürfe - nach einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, dem ich zustimme, ist deutschen Polizeibehörden schon jetzt die formlose Mitteilung erlaubt, weil das kein Hoheitsakt ist und damit auch kein Eingriff in die staatliche Souveränität vorliegt. Andererseits kommen immer wieder mal Meldungen oder Gerüchte auf, dass bestimmte Seiten von staatlicher Seite im Netz gehalten werden, um weitere Straftäter zu finden und diese verfolgen zu können. Strafverfolgung ist richtig und wichtig, aber die Ermittlungen sollten in diesem Bereich nicht um das Auslegen von Ködern aufgebaut werden. Der Anstand und Respekt vor den Mißbrauchsopfern geht an dieser Stelle vor.


4. Die Hosting-Provider werden verpflichtet, Meldungen von Polizeibehörden unverzüglich nachzugehen, vorhandene Beweise zu sichern, die kinderpornografischen Inhalte dem öffentlichen Zugriff zu entziehen ("Löschung") und die lokale Zentralstelle nach Ziff. 2 über die Löschung und Beweissicherung zu informieren.

Das ist etwas "halb-Neues". Die Provider löschen, wie diverse Versuche des AK gezeigt haben und was auch ECO aktuell bestätigt, diese Dokumente schon jetzt sehr schnell (wegen Haftungsprivilegierung aus "notice-and-takedown", bzw um sich die Haftungsprivilegierung nach dem europäischen Rechtsrahmen im Hinblick auf die strafrechtliche Verantwortlichkei zu erhalten). Hier ist wünschenswert, dass die Host-Provider mit der lokalen zentralen Anlaufstelle das Vorgehen abstimmen und klären, welche Daten auf welche Weise für die Verfolgung der Täter gesichert werden sollen.

Mit diesem Ansatz - denke ich - könnte man dem Problem Herr werden ohne dass Sperren geschaffen werden müssen. Dieser Ansatz läßt nicht befürchten, dass lediglich "mißliebige" Dokumente gesperrt werden (was bei Netzsperren der Fall sein könnte, weil lediglich eine Person diese Inhalte prüft und auf die Sperrliste setzt), weil mindestens vier Augen diese Dokumente sehen (der Polizeibeamte, der die Meldung verfasst und der Mitarbeiter des Hosting-Unternehmens, der die Inhalte dann dem öffentlichen Zugriff entzieht). Dieses Vier-Augen-Prinzip ist nach meiner Auffassung geeignet, einen Mißbrauch des zu schaffenden Rechtsrahmens auszuschließen.

Netzsperren wirken (wenn sie nicht umgehbar wären) in Deutschland bestenfalls bei ungefähr 85 Millionen Einwohnern, wahrscheinlich weniger (weil nicht alle im Netz sind); Netzsperren auf Europäischer Ebene wirken bei ungefähr 500 Millionen Einwohnern, wahrscheinlich weniger (weil nicht alle im Netz sind). Per völkerrechtlichem Vertrag mit Löschung durch die Provider wirkt der Ansatz weltweit - bei mehr als 1.000.000.000 Menschen auf der Erde, die das Internet benutzen - einfach weil das Dokument von dem Server gelöscht wurde und nicht mehr öffentlich erreichbar ist (wohl aber die Beweise für die Strafverfolgungsbehörden). Ich bin der festen Überzeugung, dass dies der Weg ist, der eingeschlagen werden sollte.

Unabhängig hiervon müssen insbesondere Kinder vor Mißbrauch besser geschützt werden. Das läßt sich aber weder über Sperren, noch über die Harmonisierung der Löschung erreichen, sondern bedarf der Hilfe und Unterstützung im "real life".

Den hier aufgezeigten Weg hat Thomas Stadler in der Anhörung im Unterausschuss neue Medien im Bundestag skizziert und er ist auch in seiner schriftlichen Stellungnahme enthalten. Ich habe den Weg in der Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages vorgestellt und meine Motivation zu dieser Idee erläutert. Nach der Anhörung habe ich Politikern (sowohl MdB, als auch im EU-Parlament) den Ansatz vorgestellt. Eine Diskussion über den Ansatz kam trotzdem nicht zustande.

Seit mehr als vier Monaten bewegt sich in der politischen Diskussion: nichts!

Das - liebe Politiker - kann es ja wohl nicht sein…

 

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7 Kommentare

Kinder scheinen dann doch nicht so wichtig zu sein, wie man uns das immer glauben machen möchte. Die Politik kann nicht einerseits von ihrer Verantwortung für die Kinder reden, aber dann nichts tun. Insofern werden gerade einige Leute sehr unglaubwürdig.

@Rigo
Symbolpolitik. Aber vielleicht sind die ja auch nur ganz clever und warten, bis sie einen beinahe fertig ausgearbeiteten Entwurf bekommen. Schließlich brauchen die Anregungen z.B. des AK Zensur das Tageslicht nicht zu scheuen. Und das BVerfG auch nicht. Ganz schön cool.

Gegen den Vorstoß ist angesichts der Tatenlosigkeit der Politik, die nur gebetsmühlenartig unsinnige Forderungen wiederholt, wenig zu sagen. Allerdings scheitert er wohl schon an Punkt 1. Die Staaten der Welt werden sich nämlich nicht darüber einigen können, was Inhalte sind, die den Tatbestand der sog. Kinderpornografie erfüllen. Schon was ein Kind ist, wäre vermutlich strittig.

Mag sein, dass es schon an 1. scheitert. Aber ich verstehe nicht, dass die Politiker nichteinmal den Versuch unternehmen, sondern lieber "Sperren, Sperren!" brüllen.

Versuch macht klug. Und den Versuch will ich mindestens sehen!

Schon der Versuch wäre wohl zum Scheitern verurteilt, weil man politisch schlicht nicht will. Aus Sicht der Politiker, überwiegend der Rechten in CDU/CSU und SPD, wäre der Versuch auch kontraproduktiv. Dem Sperrgebrülle zum Trotz geht es den Politikern nämlich mitnichten um den Schutz von Kindern; die sind nur Mittel zum Zweck und Instrument die öffentliche Meinung zu manipulieren. Es geht um Macht bzw. deren Bedrohung, um den durch das Internet und freie Information/Kommunikation ermöglichten Kontrollverlust. M. E. dienen die regelmäßig geforderte verdachtsunabhängige Vollerfassung der Kommunikationsdaten aller Internet- und Telefonnutzer sowie eine vollflächig eingesetzte Filterung der Internetkommunikation dem Ziel die aktuellen (Macht-)Strukturen zu sichern.

Etwas provokant gefragt:

[...]Konsumieren dieser Inhalte unter Strafe gestellt wird.
[...]

Warum?

Wieso der Unterschied z.B. zu einem "Happy Slapping"-Video wo das Opfer (was auch Kinder sein können) nicht auf das Instrumentarium der Staatsanwaltschaft bauen können?

Oder um es ganz auf die Spitze zu treiben: Ein Opfer was exakt 14 Jahre und einen Tag alt ist wird vergewaltigt und jemand nimmt die Tat auf und verbreitet das im Internet.....und schon ist da nur der §184a StgB einschlägig....der aber im Gegensatz zu dem §184b kein Besitzverbot bzw. die Verfolgung des Konsums vorsieht d.h. gegen den Verbreiter kann vorgegangen werden, gegen die Konsumenten nicht, sofern sie es nicht verbreiten bzw. zwecks Verbreitung downloaden. Mit anderen Worten ein Opfer muss erst wissen, wer dieses Video verbreitet um dagegen vorgehen zu können und mich würde mal die Antwort der Staatsanwaltschaft interessieren, wenn das Opfer fordert, die IPs der Downloader aufzulösen um gegen eventuelle Konsumenten vorgehen zu können.

Um eines klar zu stellen ich bin dagegen weitere Besitzverbote einzuführen, sie sind zum einen ein Blanko-Scheck für Behörden, im Bezug auf neues Material contra-produktiv und das eigentliche Verbrechen (bei den Medien die unter den §184b StgB fallen) Verbrechen passiert immer noch im RL d.h. der Kahlschlag bei den Kinder- und Jugendmaßnahmen, den Jugendämtern und anderen Angeboten wie Low-Level-Angeboten sorgt dafür, dass da viel mehr passiert.

Nur was mich an der Hatz auf Konsumenten (siehe Aktion "Himmel") so stört, ist dass eigentlich vor dem Gesetz alle Menschen gleich sein sollten....anscheinend aber das bei der Altersgrenze unter 14 vs. über 14 dies nicht der Fall ist und zusätzlich für mich immer diese Bilder nur was Sekundäres darstellen, was noch dazu beliebig oft kopiert werden kann.
Zudem die realen Fakten einfach fehlen....

a) Wie viel Altmaterial zirkuliert
b) Wie viel Neumaterial kommt hinzu
c) Zusammensetzung des Materials (Neu- als auch Altmaterial) Stichwort: Zerfetzte Kinderkörper; ich werde nämlich das Gefühl nicht los, dass sich bei den Polizeibehörden im Laufe der Zeit, sich das "Worst of the Worst" angesammelt hat und diese diesen Extrakt ganz bewusst zur Manipulation der Meinung einsetzen.
d) wie groß ist dieses Ausmaß wirklich....

bombjack

Dank für Deine Anmerkung!

Dass in dem Bereich belastbare und überprüfbare Fakten fehlen ist völlig richtig.

Ich denke, dass man in dem Bereich der Kinderpornographie aber die Verbreitung und Veröffentlichung direkt an der Quelle unterbinden sollte, zumal in diesem Bereich ein weltweiter Konsens herrscht. Das sieht bei anderen Taten anders aus; Dein Einwand mit "Happy Slapping" oder dem § 184a StGB trifft also zu. Auch das Szenario mit Worst of the Worst halte ich für plausibel und unterstütze das Ansinnen, dass da noch Forschung betrieben werden muss.

Ich denke aber nicht, dass man ein weltweit harmonisiertes Strafrecht hinbekommen kann - dazu sind die Befindlichkeiten in den Ländern viel zu unterschiedlich. Der Unterschied "Warum im Bereich des dokumentierten Kindesmißbrauchs, aber nicht im Bereich XY" ist nach meiner Auffassung deswegen gerechtfertigt, weil beim Kindesmißbrauch (auch wenn's da im Detail Unterschiede gibt) weltweiter Konsens besteht.

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