Januar 2010 Archive

Ein Kommentar

Gestern fand in der Staatskanzlei Mainz eine Anhörung zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag statt. Florian Altherr war für uns mit dabei und hat auf die massiven Probleme, die wir im aktuellen Entwurf sehen, hingewiesen. @cccmz hat live mitgezwitschert. 

Martin Stadelmaier, Chef der Staatskanzlei, betonte, dass der Entwurf ja gar nicht so gemeint gewesen sei wie wir es aufgefasst haben. So heißt es auch in einer Pressemeldung, dass keine Zwangskennzeichnung von Inhalten vorgesehen sei, und dass „Netzsperren à la Zensursula“ nicht der richtige Weg seien.

Dies ist natürlich zu begrüßen! Mir scheint aber, dass es unter den Beteiligten in dieser Hinsicht durchaus unterschiedliche Meinungen gibt. So wünscht sich Wolf-Dieter Ring, Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), seit Jahren Sperrverfügungen gegen Access-Provider und in der KJM ist man der Ansicht, dass dies rechtlich schon jetzt möglich wäre. Ring saß mit am Tisch neben Martin Stadelmaier, und war in die Entstehung des aktuellen Entwurfs zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag involviert.

Damit kommen wir auch schon zu dem ersten Punkt, der sich in Zukunft ändern muss: die Nutzer bzw. die Online-Community und die Öffentlichkeit müssen in die Entstehung solcher Gesetze mit einbezogen werden! Denn dies geht uns alle was an, und es geht um Grundrechte. Zudem halte ich es für essentiell, dass der nächste Entwurf des JMStV nicht klammheimlich den Ministerpräsidenten zur Verabschiedung vorgelegt, sondern vorher der Öffentlichkeit vorgestellt wird.

Die zweite wichtige Forderung, mit der wir aus der Anhörung gehen ist: Wenn die Rundfunkkommission der Länder nun wirklich weder Zwangskennzeichnung noch Access-Blocking will, dann muss dies auch aus dem Gesetz deutlich werden. Und das bedeutet: Die Möglichkeiten von Sperrverfügungen der KJM gegen Access-Provider müssen ganz rausfallen, auch aus den bisherigen Regelungen. Eine Verantwortlichkeit nach dem JMStV darf sich nur auf die Anbieter eigener Inhalte beziehen. So wie dies im Telemediengesetz vorgesehen ist. Auch ist die Alterskennzeichnung einzelner Webseiten oder ganzer Sites aus dem Gesetzesentwurf zu streichen – freiwillig kann das ja weiterhin jeder Anbieter machen der dies wünscht. Ergänzung: Seit über zehn Jahren ist schon mehrfach durchdekliniert, dass dies nicht funktioniert. In unserer JMStV-Stellungnahme gibt es einen eigenen Abschnitt dazu.

 

Ich sehe aber auch ein grundsätzliches Problem: Wenn am Entwurf zum neuen JMStV nur Organisationen, die mehr oder minder wirtschaftliche Interessen haben, beteiligt sind, dann kann das schnell in die falsche Richtung gehen. Und dann diskutieren sie in der Anhörung auch nur, wer jetzt welche Kompetenzen erhalten soll. Um das Netz, um die Nutzer, um Jugendschutz, um Demokratie, um das freiheitlichste Kommunikationsmedium aller Zeiten geht es dabei nicht: KJM/FSK/FSM/USK/jugendschutz.net/… diskutieren, wer Kompetenzen erhält!

Bei KJM-Chef Wolf-Dieter Ring liegt die Vermutung nicht fern, dass er weitere Interessen verfolgt: das Durchdrücken seiner eigenen Moralvorstellungen. So sagte er mal vor einigen Jahren auf den Münchner Medientagen, dass es eine positive (und gewollte) Nebenwirkung des Jugendschutzes sei, dass Erwachsenen der Zugang zu entsprechendem Material erschwert werde. Und er hat sich auch schon darüber beschwert, dass die Entscheidungen der KJM von unabhängigen Richtern überprüft werden können …

 

Die meisten Verbände waren in der Anhörung leider zahm: sie müssen viele Mitglieder mit unterschiedlichen Interessen unter einen Hut bringen und einigen sich dann eben auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Von diesen können wir als Nutzer also nicht viel erwarten. Aber umgekehrt können wir sie durch unseren Protest ermuntern, mutiger zu werden. Beim Zugangserschwerungsgesetz hat es auch geklappt, die Verbände hatten sich da schon früh geschlagen gegeben. Ohne den Protest aus dem Netz wäre das auch so geblieben …

 

Klar ist: dieser Entwurf muss vom Tisch! Das einzig Sinnvolle wäre, nochmal ganz von vorne anzufangen. Bei der Software-Entwicklung ist es es oft auch sinnvoll, eine Anwendung neu zu schreiben, anstatt am Mißglückten herumzubasteln. Da bietet sich auch die Gelegenheit zur Verständigung darüber, was erreicht werden soll:

  • In Einschränkungen für die Porno-Branche sehe ich aus bürgerrechtlicher erst einmal kein Problem. Aus Jugendschutz-Sicht haben wir in Deutschland eine sehr weitgehende Lösung mit dem Zwang zu Altersverifikationssystemen, im Wesentlichen ist das für inländische Anbieter dicht. Allerdings sollte man sich schon fragen, inwieweit man indirekt Wirtschaftsförderung für die (großen) kommerziellen Porno-Anbieter betreiben will. Ergänzung: Durch die Altersverifikation haben wir quasi einen Zwang zur Bezahlung. Gleichzeitig haben aber im Inland nur noch die großen Anbieter eine Chance. Und die ausländischen, die ohne Altersverifikation auskommen.
  • Im Bereich des Rechtsextremismus bietet das Strafrecht effektivere Ansatzpunkte.
  • Aus Jugendschutz-Sicht ein viel realeres Problem ist neben der Beeinflussung durch den tagtäglichen Fernsehkonsum der Tausch von einschlägigen Fotos und Filmen via Handy auf dem Schulhof. Hier scheint mir nur eine praktikable Lösung in Sicht: die Stärkung der Medienkompetenz und des Verantwortungsgefühls der Jugendlichen sowie alles was damit zu tun hat (z.B. aufmerksame Eltern und Lehrer). Alle anderen denkbaren Lösungen schränken eine legitime Nutzung auf unzumubare Weise ein oder greifen tief in die Privatsphäre ein.
  • Internet-Angebote, die sich an Kinder richten, sollten sicher stellen, dass sie dort nicht gleichzeitig Inhalte anbieten, die für die jeweilige Altersgruppe offensichtlich ungeeignet sind. Dies ist zwar eine Selbstverständlichkeit, aber wenn sich die Anbieter nicht daran halten muss eben mit Druck nachgeholfen werden.
  • Der Datenschutz könnte gestärkt werden. Einige Anbieter fragen für meinen Geschmack viel zu viele Daten von Kindern ab, oft unnötigerweise.
  • Verbraucherschützer bemängeln, dass Kinder oft auf die typischen Abzocker-Websites gelockt werden. Ich sehe hier aber kein Problem des Jugendschutzes, sondern in mangelnder strafrechtlichr Verfolgung sowie eventuell Nachbesserungsbedarf im Fernabsatzgesetz und anderen dies betreffenden Gesetzen. Ich hätte auch kein Mitleid, wenn bei den betreffenden Betreibern und ihren willfährigen Anwälten mal die Hells Angels oder Banditos vorbeischauen würden. Aber wegen ein paar Abzockern sehe ich keinen Grund, in anderen Bereichen die Freiheit der Allgemeinheit einzuschränken. Verfolgt die Abzocker, nicht das Internet!
  • Das Internet ist das freiheitlichste und effizienteste Informations- und Kommunikationsforum der Welt und trägt maßgeblich zur Entwicklung einer globalen Gemeinschaft bei. Die Informationsgesellschaft bietet neue Entfaltungsmöglichkeiten für jeden Einzelnen ebenso wie neue Chancen für die demokratische Weiterentwicklung unseres Gemeinwesens sowie für die wirtschaftliche Betätigung. Das sage nicht ich, das sagt der Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Es wäre schön, wenn die Bundesländer dies nicht torpedieren würden.

 

Hätten wir kompetente Jugendschützer in den Aufsichtsbehörden, Kommissionen und ähnlichen Organisationen, würden sie gute, beliebte und für jugendliche taugliche Online-Prokjekte erstellen. Sie wären von sich aus und vor der kommerziellen Konkurrenz auf die Idee gekommen, wie man erfolgreiche und beliebte Projekte macht. Warum kam von den ganzen Jugendschützern niemand auf die Idee, so etwas wie SchülerVZ in gut zu machen und professionell umzusetzen? Stattdessen werfen sie Millionen über Millionen für Projekte wie Klicksafe, fragFINN.de, klick-tipps.net und ähnlichen Kram zum Fenster hinaus, die laut Alexa Traffic Stats kaum Besucher haben und zusammen weniger als die AK Zensur Webseite alleine …

Diese Leute werfen aber nicht nur unser Steuergeld zum Fenster hinaus. Sie sind es auch, die abstruse Regulierungs-Ideen entwickeln. Sie zerstören unser aller Freiheit. Das ist sehr traurig.

 

Siehe auch: Infos zum JMStV und unsere Stellungnahme

Am kommenden Mittwoch findet in der Staatskanzlei in Mainz eine Anhörung zum aktuellen Entwurf des überarbeiteten Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (PDF) statt. [Ergänzung: Es handelt sich dabei um einen Staatsvertrag zwischen den Bundesländern und wurde am 15. Dezember von der Rundfunkkommission der Länder für die Anhörung „vorgesehen“. Diese ist die Vermittlungsinstanz der Länder zur Medienpolitik. Vorsitzender der Rundfunkkommission ist Kurt Beck.]

Dazu haben wir beim AK Zensur eine Stellungnahme (PDF) verfasst, die den Entwurf in den meisten Punkten kritisiert.

Der aktuelle Entwurf zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) enthält eine ganze Reihe abzulehnender Vorschriften:

  • Es werden sowohl Internet-Zugangs-Anbieter (Access-Provider, ISP) als auch Anbieter von Webspace (Hosting-Provider) mit den eigentlichen Inhalte-Anbietern gleich gesetzt. Sie werden als „Anbieter“ bezeichnet. Sie alle sind für die Inhalte ihrer Kunden verantwortlich.
  • Access-Provider werden verpflichtet, ausländische Webseiten zu blockieren, die sich nicht an die in Deutschland geltenden Jugendschutzbestimmungen halten. Es muss also eine weitaus umfangreichere Internet-Zensur-Infrastruktur aufgebaut werden, als dies Ursula von der Leyen im Wahlkampf vorgesehen hat.
  • Wenn auf einer Webseite die Nutzer Inhalte erstellen können (also zum Beispiel Kommentare in Blogs), dann muss der Betreiber der Plattform (also zum Beispiel der Blogger) nachweisen (!), dass er zeitnah Inhalte entfernt, „die geeignet sind, die Entwicklung von jüngeren Personen zu beeinträchtigen“. Ausnahmen sind keine vorgesehen.
  • Generell werden alle Inhalte in Kategorien eingeteilt: ab 0 Jahre, ab 6 Jahre, ab 12 Jahre, ab 16 Jahre, ab 18 Jahre. 
  • Alle „Anbieter“ müssen sicherstellen, dass Kinder der entsprechenden Altersstufe jeweils ungeeignete Inhalte nicht wahrnehmen. Dafür sind mehrere (alternative) Maßnahmen vorgesehen:
    • Es wird ein von der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zugelassenes Altersverifikationsverfahren genutzt.
    • Inhalte werden nur zu bestimmten Uhrzeiten angeboten. (beispielsweise nur zwischen 22 und 6 Uhr, wenn ab 16 Jahre)
    • Alle Inhalte werden mit einer entsprechenden Altersfreigabe gekennzeichnet.
  • Die bestehenden Regelungen bezüglich schwer jugendgefährdenden Inhalten (das betrifft u.a. Hardcore-Pornographie usw.) bleiben natürlich in Kraft. 

Kurz-Zusammenfassung unserer Stellungnahme

  • Eine Verantwortlichkeit und Sperr-Verpflichtung der Internet-Zugangs-Anbieter (Access-Provider) für in- oder ausländische Inhalte lehnen wir ab. 
    Eine solche Regelung wäre eine Verletzung europäischen und nationalen Rechts und würde zu erheblichen Einschränkungen der Meinungs- und Informationsfreiheit führen. Darüber hinaus wäre auch der eCommerce in Deutschland im internationalen Wettbewerb massiv beeinträchtigt, wenn Access-Provider aus Haftungsgründen zu einer inhaltlichen Kontrolle der von ihnen transportierten Inhalte gezwungen wären.
  • Eine Ausweitung der Prüf- und Lösch-Pflichten für Inhalte Dritter, beispielsweise für Kommentare in Blogs und Diskussionsforen bzw. sog. „User Generated Content“, lehnen wir ab. 
    Eine solche unverhältnismäßige Ausweitung von Kontrollpflichten führt dazu, dass derartige Angebote in Deutschland nicht oder nur noch extrem eingeschränkt verfügbar wären. Denn Anbieter würden gänzlich unkalkulierbaren Haftungsrisiken ausgesetzt. Hierdurch wäre nicht nur die Entwicklung innovativer Web-2.0-Angebote, sondern auch der wirtschaftliche Standort Deutschland massiv gefährdet. Derartige Prüfungspflichten schränken zudem die Meinungs- und Rezipientenfreiheit (Artikel 5 GG) erheblich ein.
  • Eine Verpflichtung zur Kennzeichnung („Labeling“) von Inhalten im Internet lehnen wir ab.
    Sie ist logistisch und technisch undurchführbar und weltweit nicht sinnvoll durchsetzbar. Zudem ist eine solche Kennzeichnung in vielen Fällen auch willkürlich, da es kaum greifbare und objektive Kriterien zur Einstufung einer Seite, gerade im Altersbereich zwischen 3 und 16 Jahren, gibt.
  • Eine Einführung bzw. Ausweitung von generellen „Sendezeitbegrenzungen“ im Internet lehnen wir ab.
    Sendezeitbegrenzungen sind in Broadcast-Medien durchaus sinnvoll. Diese werden aber der Natur eines internationalen Kommunikations- und Abruf-Mediums nicht gerecht. Zudem würde die Einführung einer „Sendezeit“ für das deutsche Internet nur bereits bestehende Ansätze verstärken, nicht jugendfreie Inhalte in das für den deutschen Gesetzgeber nicht kontrollierbare Ausland zu verlagern, so dass überhaupt kein Schutzniveau mehr vorhanden ist.
  • Dem Entwurf mangelt es an ausreichender Normenklarheit. Er ist insgesamt nicht eindeutig, zu unbestimmt und überaus interpretationsfähig.
    Der Gesetzgeber muss für die wesentlichen Punkte seines Anliegens von Verfassungs wegen klare und eindeutige Regeln schaffen und nicht solche, die durch andere Institutionen nachträglich interpretiert werden müssen und einen viefältigen Spielraum zur Auslegung bieten.

Der AK Zensur lehnt den Entwurf zur Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV-E) in der vorliegenden Form ab, weil er die Meinungs- und Rezipientenfreiheit der Bevölkerung übermäßig einschränkt, die Entwicklung von modernen Internet-Anwendungen behindert, die wirtschaftliche und soziale Weiterentwicklung des Internets hemmt und gleichzeitig kein höheres Jugendschutzniveau bietet. 

Im Bereich der Pornographie dient er nicht dem Schutz von Jugendlichen, sondern dient der Marktabschottung der inländischen Porno-Industrie vor ausländischer Konkurrenz. Der Beifall der deutschen Porno-Produzenten ist ihm daher sicher.

In anderen Bereichen dient der JMStV-E der Durchsetzung moralischer und sittlicher Vorstellungen unter dem Deckmantel des Jugendschutzes, da auch Erwachsenen der Zugriff auf und die Diskussion über Inhalte deutlich erschwert wird, die potentiell „geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen“.

Unserer Ansicht nach widerspricht der vorliegende Entwurf in zentralen Punkten Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 5 des Grundgesetzes.

Es ist nicht Aufgabe des Gesetzgebers, einem Unternehmen wie der jugendschutz.net GmbH neue Geschäftsfelder zu erschließen. Aber eben diesen Eindruck kann man bei der Lektüre des Entwurfs zur Novellierung des Jugendmedien-Staatsvertrags bekommen: Die Ausweitung der Arbeit für die nächsten Jahre wäre gesichert.

Weitere Stellungnahmen gibt es u.a. von 1&1 und eco.

 

Unsere Stellungnahme im Volltext: 
jmstv-stellungnahme-ak-zensur-januar-2010.pdf (PDF, 233 KB, 11 Seiten)

Siehe auch:
Der aktuelle Entwurf zur Änderung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags.
Der JMStV-Entwurf muss vom Tisch! Ein Kommentar nach der Anhörung.

 

In Wahlkampfzeiten neigen Politiker und Parteien dazu, Probleme zu trivialisieren und Lösungen zu simplifizieren. Paradigmatisches Beispiel dürfte dafür Ursula von der Leyen mit ihrem Vorstoß zur Sperrung kinderpornographischer Internetseiten sein. Im Internet würde die „Vergewaltigung von Kindern vor laufender Kamera“ gezeigt. Die Server stünden in Indien (oder Kasachstan), wo die Inhalte nicht gelöscht werden könnten. Deswegen seien Internetsperren in Deutschland die einzig sinnvolle Massnahme. Für den Wahlkampf ist das eine brauchbare Geschichte – und Wahlkampf war dies ja.

Der Wahlkampf ist bekanntlich vorbei und bei dem Thema Bekämpfung der Kinderpornographie hat eine neue Sachlichkeit Einzug gehalten. Die Koalition will das „Zugangserschwerungsgesetz“ vorerst nicht umsetzen. Es bleibt abzuwarten, ob die FDP das Zugangserschwerungsgesetz kippen kann, wie dies vom AK Zensur gefordert wird.    

Für das BKA und seinen Chef Jörg Ziercke, wie auch für die Freunde obrigkeitsstaatlicher Lösungen in der CDU ist das nun gewiss etwas enttäuschend. Da hat man schon ein nahezu todsicheres Thema, mit dem der Einstieg in die flächendeckende Kontrolle des Netzes geschaffen werden soll, und dann kann man sich – trotz Anwendung aller polemischen Mittel – im Ergebnis nicht gegen eine „straff organisierte“ (Zitat von W. Bosbach) Kampagne des AK Zensur und der gesamten Netzgemeinschaft durchsetzen.

Die FAZ schlägt heute ein neues Kapitel der Auseinandersetzung auf. Erstmalig wird auf eine Trivialisierung des Problems verzichtet.

Soweit dem Artikel der FAZ Informationen des BKA zu Grunde liegen, ist natürlich von vorne herein Skepsis angebracht. Das BKA möchte, mindestens im Ausland, nicht direkt eine Löschung von kinderpornographischen Inhalten durchführen, weil u.a. – so die Information von Martin Dörmann – das BKA befürchtet, die sofortige Löschung von Inhalten könne strafrechtliche Ermittlungen behindern. Man würde sich einen Qualitätsjournalisten wünschen, der zu diesem Punkte das BKA zum Beispiel in der Person von Jürgen Maurer klar befragt. Ist es etwa nicht richtig, dass das BKA hinter verschlossenen Türen inoffiziell bestätigt hat, dass es an einer sofortigen Löschung von kinderpornographischen Inhalten nicht interessiert ist, damit strafrechtliche Ermittlungen noch durchgeführt werden können? Immerhin findet sich bei der FAZ eine etwas verklausulierte Bestätigung dieses Sachverhaltes: Das BKA lehnt es „bisher ab, sich bei seinen Löschversuchen direkt an ausländische Provider zu wenden und so die Strafverfolger in dem jeweiligen Staat zu umgehen. Man wisse schließlich nicht, welche Ermittlungsmaßnahmen die ausländischen Kollegen gerade betrieben, heißt es in Wiesbaden.“ Das hat oft zur Folge, dass die Verbreitung geduldet wird, um Konsumenten zu finden. Dass das FBI Link-Honeypots betreibt ist nur die harmlose offizielle Variante.

Die FAZ lotet nun mit der Lupe die Grenzbereiche des Löschens pornographischer Inhalte aus. Da geht es um fiktive Texte, Posingbilder und Anscheinsjugendpornographie. Konsterniert gibt die FAZ zu, es sei schwer, hier die „Strafbarkeit zu beurteilen“. Und vergisst gleichzeitig, dass das Zugangserschwerungsgesetz für solch schwierige und nicht einmal eindeutig rechtswidrige Sachverhalte nie gedacht war. Worum es Frau von der Leyen beim Zugangserschwerungsgesetz ging, wurde ja präzise formuliert: „Wir tolerieren nicht länger, dass Kinder vor laufender Kamera vergewaltigt, geschändet und missbraucht werden und jeder dabei im Internet zusehen kann.“ Und wer noch etwas deutlichere Formulierungen sucht, sollte sich die Rede von Frau von der Leyen in der Aktuellen Stunde zur Bekämpfung  der Kinderpornographie im Internet  vor dem Deutschen Bundestag  am 26. März 2009 durchlesen. Selbst das BKA hat die Ausweitung des Zugangserschwerungsgesetzes auf andere Sachverhalte abgelehnt.

Die Schlußfolgerung der FAZ, die natürlich nur zwischen den Zeilen zu lesen ist, lautet: Weil das Löschen in diesen Grenzbereichen so schwierig und kompliziert sei, brauche man doch Internetsperren. So findet die FAZ dann wieder zu der gewünschten Antwort zurück. Die FAZ bleibt gefangen im Netz der simplen Antworten. Für die komplizierten Probleme einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit werden wieder nur einfache Antworten gefunden. Was bei der FAZ indessen unerwähnt bleibt: wer über den Kernbereich international geächteter kinderpornographischer Inhalte hinaus die Differenzen zwischen verschiedenen nationalen Jurisdiktionen zum Anlass nimmt, Netzsperren zu fordern, der muss konsequent aus dem internationalen Internet ein renationalisiertes Intranet, also ein Local Area Network für Deutschland formen. Das Deutschland-Net.

Dank an den anonymen Text-Spender!