Schon gewusst? Die Deutsche Telekom AG hat mit Gabriele Schmeichel nicht nur eine Jugendschutzbeauftragte, die in Personalunion die Vorsitzende der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM) ist. Die Deutsche Telekom AG betreibt mit erotic lounge auch ein Soft- und Hardcore-Porno-Portal, in das sie offensichtlich viel Geld rein gesteckt hat. Da gibt es dann so interessante Filme wie die „Satansweiber Von Tittfield“*, „Paare Privat – Intime Liebesspiele nur zu zweit“ oder „Sex - Porno für Paare“ (Vol. 1 bis 3).
Was daran so interessant ist? Nun, die FSM und ihre Vorsitzende preisen den neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) an. Der soll ja den Jugendschutz stärken und so weiter. In Wirklichkeit hat die Telekom aber ein Problem, das sie mit dem neuen JMStV zu kippen hofft: in der erotic lounge wollen sie zwar Soft-Pornos verkaufen (einen Hardcore-Bereich gibt es auch, aber das ist hier erstmal egal), aber bei derzeitiger Gesetzeslage dürfen sie das nur Nachts oder nach einer Altersverifikation. Nachts ist dumm, denn die meisten Porno-Konsumenten sind zwischen 13 und 15 Uhr sowie 20:30 und 22:00 aktiv. Und Altersverifikation mag keiner. Aber, da kommt der neue JMStV ganz recht: mit dem reicht es aus, die Webseiten mit einer Alterskennzeichnung zu versehen. Dann darf der Kram auch tagsüber verbreitet werden, da die Filme eine Einstufung ab 16 bzw. ab 18 Jahren haben. Toll für die Telekom und ihre Jugendschutzbeauftragte, toll für die FSM.
Rein prinzipiell habe ich tatsächlich nichts gegen die Lockerung der bisherigen Bestimmungen, sind doch Regelungen, die nur auf inländische Anbieter zielen in einem internationalen Kommunikationsmedium wie dem Internet vollkommener Unfug. Aber diese Lockerung wird mit dem neuen JMStV mit vielen Verschärfungen für kleine und private Anbieter erkauft. Details dazu finden sich z.B. in meiner Stellungnahme zur Anhörung im NRW-Landtag und einem Brief samt Anlagen, den wir im Sommer an die Ministerpräsidenten der Länder geschickt haben. Aufgrund der vielen sachlichen Kritik an dem Staatsvertrag haben über 50 Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, der "Netzgemeinschaft" sowie Juristen, Journalisten und Netz-Künstlern die SPD-Landtagsfraktion aufgefordert, den neuen JMStV nicht zu unterzeichnen.
Interessenskonflikt der Telekom
Beim neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag hat die Telekom aber noch ganz andere Interessenskonflikte: so ist sie gleichzeitig Hersteller, Zulassungsstelle, und zum Anbieten Verpflichteter von so genannten „Jugendschutzprogrammen“, also Filterprogrammen.
Dies alles habe ich in einem kurzen Brief an die Mitglieder des Haupt- und Medienausschusses des nordrhein-westfälischen Landtages geschickt, es folgt der Brief im Volltext, hier gibt es auch das Original als PDF:
An die
Mitglieder des Haupt- und Medienausschusses des nordrhein-westfälischen LandtagesStuttgart, den 25. November 2010
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder des Haupt- und Medienausschusses des nordrhein-westfälischen Landtages,
im Nachgang zu der öffentlichen Anhörung vom 4. November 2010 zur Novellierung des JMStV im Rahmen des 14. RÄndStV und als Ergänzung zu meiner Stellungnahme möchte ich Sie auf einen eklatanten Widerspruch und Interessenkonflikt der Befürworter der Novelle aufmerksam machen, der sich nicht auf den ersten Blick erschließt.
Die Verfechter des neuen JMStV geben vor, den Jugendschutz stärken zu wollen. Bei genauer Betrachtung geht es aber vor allem um wirtschaftliche Vorteile für große Unternehmen auf Kosten kleiner und privater Anbieter.
In der Anhörung setzte sich Frau Gabriele Schmeichel – in Personalunion Vorsitzende der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM) und Jugendschutzberauftragte der Deutschen Telekom AG – stark für die vorliegende Novelle des JMStV ein. Bisher müssen im Internet beispielsweise Anbieter von Filmen, die erst ab 16 oder 18 Jahren freigegeben sind, diese mit einer aufwendigen Altersverifikation absichern oder nur Nachts zum Abruf bereit stellen. Mit dem neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag reicht es oft, diese Filme mit einer Alterskennzeichnung zu versehen. Diese Lockerung ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, wird aber mit allgemein sehr strengen und aufwendigen Hürden für kleine und private Anbieter erkauft.1
Bei genauer Betrachtung wird aber klar, warum sich ausgerechnet die Jugendschutzbeauftragte der Deutschen Telekom so sehr für diese Regelung stark macht: die Telekom betreibt mit Gamesload, Movieload und erotic lounge 2 mehrere Portale, die von der neuen Gesetzeslage profitieren.
Die Telekom und die „Satansweiber von Tittfield“
So finden sich unter erotic lounge auch Soft-Pornos. Beispielsweise die „Satansweiber Von Tittfield“, „Paare Privat – Intime Liebesspiele nur zu zweit“ oder „Sex - Porno für Paare Vol. 2“. Diese können heute nur nach einer (aufwendigen und von den Kunden kaum akzeptierten) Altersverifikation oder zwischen 23 und 4 Uhr Nachts abgerufen werden. Beides stellt für Interessenten eine oft entscheidende Hürde dar. Mit dem Inkrafttreten3 des neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrages wird es der Deutschen Telekom AG auch möglich, die entsprechenden Filme tagsüber anzubieten: dazu müssen diese nur mit dem passenden Kennzeichen „ab 16 Jahren“ oder „ab 18 Jahren“ versehen werden. Die Hürde sinkt damit signifikant, oder um es mit einer Metapher aus dem Rundfunk zu zeigen: es ist den Inhaltsanbietern damit gestattet vom Nacht- ins Tagesprogramm zu wechseln. Nur bei schwer jugendgefährdenden Inhalten bleibt es bei den alten strengen Regeln.
Diese Erleichterung insbesondere für große kommerzielle Anbieter steht in keinem Verhältnis zu den neuen Auflagen, die für jede Webseite, auch solche von Abgeordneten, Sportvereinen, Schülerzeitungen, Tageszeitungen, privaten Bloggern oder Beratungsstellen sowie Ortsvereinen der Parteien, eingeführt bzw. ausgeweitet werden! Erleichterungen für große kommerzielle Akteure dürfen nicht auf dem Rücken derjenigen ausgetragen werden, die das Internet zu einem interessanten und abwechslungsreichen Kommunikationsmedium für alle gemacht haben.
Die neuen gesetzlichen Regelungen sind insgesamt darauf ausgerichtet, dass jeder Inhaltsanbieter seine Inhalte einstufen und kennzeichnen soll bzw. muss. Dies beinhaltet mit dem oben Geschilderten letztlich eine Lockerung des Jugendschutzes zu Lasten der breiten Masse der Internet-Nutzer und Inhaltsanbieter. Sollte es praktisch anders kommen – was denkbar ist – dann nur deshalb, weil sich das im Jugendmedienschutz seit jeher bestehende Vollzugsdefizit fortsetzt.
Interessenkonflikte der Deutschen Telekom AG und der FSM-Vorsitzenden
Die Telekom nimmt mit dem neuen JMStV mehrere sich widersprechende Rollen ein. Sie ist:
- Anbieter von jugendgefährdenden bzw. entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten (§5 Abs. 1 JMStV-E)
- Hersteller eines „Jugendschutzprogrammes“ (Inhaltsfilters), das die Verbreitung dieser Inhalte einschränken soll (§11 JMStV-E)
- Quasi Zulassungsstelle für „Jugendschutzprogramme“ (über die Mitgliedschaft und den Vorsitz in der FSM) und entscheidet damit auch selbst über die Anerkennung des eigenen Programms (§11 Abs. 3 JMStV-E)
- Zum Anbieten eines solchen „Jugendschutzprogrammes“ verpflichteter Zugangsanbieter (§11 Abs. 1 Punkt 2 Satz 2 JMStV-E)
- Mitglied der Normierungsinstanz für die noch zu entwickelnden technischen Richtlinien (über die Mitgliedschaft und den Vorsitz in der FSM), die andere Anbieter von Inhalten oder „Jugendschutzprogrammen“ umsetzen müssen (§12 Satz 2 JMStV-E)
Eine Einrichtung wie die FSM kann also den eigenen Mitgliedern, die Jugendschutzprogramme herstellen, zur Anerkennung der Programme verhelfen. Wenn dann diese Mitglieder gar im Vorstand vertreten sind und auf allen Ebenen als Anbieter teilnehmen, ist dies durchaus merkwürdig.
Daher möchte ich Sie nochmals bitten, die Chance zu nutzen, mit einer Ablehnung der zur Abstimmung stehenden JMStV-Novelle kurz- und mittelfristig gute, funktionierende und sinnvolle gesetzliche Regelungen zu ermöglichen. Passende Vorschläge sind bereits skizziert.4 Der alte, bereits geltende JMStV besitzt – trotz diverser vorhandener Unzulänglichkeiten – keine Schutzlücke und gilt bei einer Ablehnung der Novelle weiter.
Freundliche Grüße
…
Ich bin mal gespannt, was die Landtagsabgeordneten dazu sagen …
Siehe auch:
- Der Brief als Original-PDF
- Offener Brief an SPD-Landtagsfraktion (komplette Version als PDF)
- Die Rhein-Zeitung erklärt, um was es geht
- netzpolitik.org über den Brief
- Stellungnahme AK Zensur für Anhörung in NRW
- Stellungnahme des Dresdner Instituts für Medien, Bildung und Beratung für Anhörung in NRW
- Über die Pflichten und Folgen im neuen JMStV
- Eine technische Betrachtung zum neuen JMStV
- Brief an die Ministerpräsidenten, vom Sommer; mit Anhang und Hintergrundinfos
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*: Schon der Titel ist grandios, „Satansweiber von Tittfield“ hört sich doch nach einem erstklassigen Trash-Film an!
Schlechtes Beispiel: "Die Satansweiber von Tittfield" ist eher kein "Softporno", sondern der deutsche Titel des aus dem Jahr 1968(!) stammenden schwarzweißen(!) Frühwerks von Filmregisseur Russ Meyer, im Original "Faster, Pussycat! Kill! Kill!". Und der ist schon mehrfach im Fernsehen gelaufen, etwa auf arte...
Eigenkorrektur: Der Film ist sogar noch älter, nämlich je nach Quelle von 1965 bzw. 1966...
Hatte vor fast genau 2 Jahren mal etwas drüber geschrieben. Interessant, wie sehr die Telekom doch an sowas hängt!
http://ralfschwartz.typepad.com/mc/2008/12/telekom-erotik-spagat.html
@mw: Das ändert aber nichts daran, dass der Film - uuups - ursprünglich eine FSK18 hatte:
http://www.deutsches-filminstitut.de/caligari/dt2fcf0298.htm
Bei Arte lief er als FSK16, angeblich aber in Originallänge. Die DVD von Warner ist auch eine FSK16.
FSK12-Schnittfassungen scheinen mir unwahrscheinlich, dann bliebe von den 83 Minuten allenfalls ein Kurzfilm ohne Handlung.
an mw: Natürlich hat Russ Meyer Softpornos gedreht, und
'Faster, Pussycat! Kill! Kill!' stellt da keine Ausnahme dar.
Hier ist ein Link in der Movie Database zu diesem Film:
http://www.imdb.com/title/tt0059170/
Scheinbar regt der originelle Titel bis heute die Fantasie der Menschen an. Es handelt sich um einen anerkannten Klassiker des Trash-Genres. Irgendwas nach gängiger Definition anstößiges ist darin nicht zu sehen, außer man fühlt seinen Intellekt beleidigt.
Dragan: Bitte immer im Zeit-/Raumkontext beachten: Der Film wurde im prüderen Amerika 1965 produziert und war damals einer von vielen Holz-vor-der-Hütten-Filmen ohne großartig nennenswerte Handlung des mittlerweile als Trash-König gefeierten Russ Meyer.
Togal. Alvar hat ja noch mehr Beispiele gelistet, und es geht ja um die Erotik-Sparte der Telebumm insgesamt, nicht nur um einzelne Filme. :-)
@drx: Ach, inhaltlich sind wir uns durchaus einig.
Was sich bei uns regt oder nicht regt, ist für die existierende Beurteilung durch die FSK aber unerheblich.
das ist ja mal ein völliger quatsch! hier redet offenbar jemand der keine ahnung hat (bei ak-zensur fällt mir das immer wieder auf!): die ganzen adult-webmaster sind schon vor jahren aus D abgehauen, wegen der restriktiven erotik-vorschriften. *natürlich* reicht es nicht, erotik einfach nur mit "ab 18" zu versehen, auch in zukunft nicht! alles, was ab 16 und ab 18 ist, hat entsprechend gekennzeichnet UND es muß eine entsprechende Labelung stattfinden, damit die Inhalte rausgefiltert werden können! die software dafür gibt es schon seit jahren, wie wäre es, mal in der erotik-branche eifnach nachzufragen als so einen schwachsinn rumzuplappern? das neue gesetz sorgt "nur" dafür, daß diese ganzen fascho-gesetze in zukunft auch für andere Inhalte gelten. es gibt bis heute keine nachweise dafür, daß erotik die entwicklung von jugendlichen in irgendeiner weise beeinträchtigt, das ist den gesetzmachern aber egal, und genauso egal ist es ihnen, ob *erwachsene* durch irgendwas beeinträchtigt werden, zum beispiel in ihrem ausüben von meinungsäußerung und meinungsfreiheit. die politiker sind es hier, die an die wand gehören, nicht die erotik-industrie, wo habt ihr nur diesen elenden quatsch her?! meine güte...!
Sie sollten nochmals den Text und den Brief genauer lesen. Da steht nicht, dass sich für Hardcore-Pornografie etwas ändert (denn da bleibt alles beim Alten).
Für Inhalte ab 16 Jahren reicht in Zukunft die Kennzeichnung. Für Hardcore-Pornografie und andere indizierte Inhalte nicht.