Zeitnah zum heutigen Tag des Urheberrechts wird es, wie auch FURUREZONE berichtet, am Mittwoch im Rechtsausschuss des europäischen Parlaments eine Debatte über den Bericht der französischen Konservativen Gallo mit dem Titel "Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte im gemeinsamen Markt" geben.
Wie zu erwarten geht es um "Three Strikes Out", also Internetsperren und Providerverpflichtung zur Inhaltskontrolle und um eine umstrittene Studie der internationalen Handelskammer. Danach würden 2015 durch die sogenannte Verletzung des Geistigen Eigentums 1,3 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen. Eine Übersicht zu der Studie findet sich bei icc-deutschland und hier.
Man mag zum geistigen Eigentum stehen, wie man will, doch bleibt mir unverständlich, wieso geistige Arbeit primär mit wirtschaftlichen Interessen gleichgesetzt wird. Unzweifelhaft müssen Kreative leben, und sie sollen, geht es nach mir, gut leben. Doch ebenso unzweifelhaft ist Geld selten die Ursache für ihre Schaffenskraft. Kreative erfüllen primär eine gesellschaftliche Aufgabe und keine wirtschaftliche. Die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz von Geschäftsmodellen gegenüber der Relevanz kreativ Schaffender muss endlich gestellt werden. Wir müssen uns auch fragen, ob Umsatz die gesellschaftliche Relevanz korrekt widerspiegelt, ob das momentane Entlohnungsmodell überhaupt gerecht und vor allem gerechtfertigt ist.
Nun rufen die Verwertungsgesellschaften am lautesten nach einer Verfolgung von Verletzungen der Rechte an immateriellen Gütern. Ich gebe zu, diese Verwertungsgesellschaften sind sehr kreativ, wenn es darum geht, Geld zu verdienen und politische Lobbyarbeit zu machen. Eine gesellschaftliche Relevanz hat das eher weniger. Diese Diskussion sollte am Tag des Urheberrechts geführt werden; sie könnte Kreativen gerecht werden und den Nutzen für uns alle aufzeigen.
Man muss keine Kapitalismuskritik üben, um festzustellen: was der Allgemeinheit nutzt - das kann auch ein simpler Song sein - stellt einen Mehrwert dar. Ich finde, wir sollten das einmal mit dem gesellschaftlichen Wert eines Hedgefonds oder einer Aktie vergleichen. Kapitalanhäufung kann nur indirekt eine Bedeutung haben; als Selbstzweck ist sie sinnlos. Ein Werk aber steht für sich, möglicherweise auch noch nach Jahrhunderten, wenn die Schutzrechte lange abgelaufen sind. Der Künstler spielt dann immer noch eine Rolle, lebt in seinem Werk fort, während von der Verwertungsgesellschaft niemand mehr redet.
Es muss also ein Umdenken stattfinden. Die Debatte droht Kreative zu Gunsten von Firmen zu enteignen, das Werk auf bloßes Kapital zu reduzieren; Kapital, dass die Kreativen im Wesentlichen gar nicht erhalten. Das Internet dagegen bietet Künstlern die Möglichkeit, sich ihre Rechte wiederzuholen. Mehr noch, das Internet kann, wie einst das Radio, Werke omnipräsent machen. Der mögliche Rückkanal geht dabei weit über die Möglichkeiten etablierter Medien hinaus. Ist die Angst, überflüssig zu werden, der Grund, aus dem die Gesellschaften das Internet, freie Kommunikation und Kultur mit allen Mitteln bekämpfen? Ist die Ursache die Unfähigkeit der Industrie, sich Neuem anzupassen?
Wie absurd dieser Versuch ist, zeigt ein Vergleich: In Deutschland haben wir Internetsperren als ungeeignet erkannt, um Gewalt gegen Kinder sowie deren Zurschaustellung zu bekämpfen. Die Väter des Grundgesetzes haben vorausgesehen, dass Grundrechte niemals im Widerspruch zur Menschlichkeit stehen können. Nun aber wird genau diese Vorgehensweise gefordert, um gegen Plagiate und illegale Downloads von Medien vorzugehen. Die Forderung negiert damit Grundrechte aus viel geringerem Anlass. Mehr noch, die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz der Verwertungsgesellschaften, die durchaus vorhanden ist, wird damit in den Hintergrund gestellt. Es wird einfach der Tatbestand eines Verbrechen postuliert. Die Frage nach dem Nutzen stellt sich gar nicht, die Rede ist ausschließlich von Fantastillionen wie im Duckschen Geldspeicher.
Gallo muss sich also die Frage gefallen lassen, ob die Kriminalisierung der Schulhöfe und die Demontage des Internet nicht in krassem Widerspruch zu dem steht, was Europa nutzt und wofür es steht. Nach einer Umfrage des Instituts TNS Emnid sind, wenn es um Softwarekopien geht, 25% der Computernutzer da anderer Meinung. Nicht, dass ich das rechtfertigen wollte, doch das sollte zum Nachdenken anregen. Möglicherweise haben diese Raubmörderkopierer damit unwillentlich die Relevanz von Software und Medien bewiesen, jedoch das Entlohnungsmodell mit nur mäßig schlechtem Gewissen abgelehnt.
Unbeabsichtigt bestätigt das auch US-Justizminister, wenn er sagt: "Die Zunahme an Straftaten an geistigem Eigentum in den USA und im Ausland bedroht nicht nur unsere öffentliche Sicherheit, sondern auch unseren wirtschaftlichen Wohlstand". In der Tat, die künstliche Kriminalisierung großer Teile der Bevölkerung zugunsten des Wohlstands Weniger, die ist gefährlich. Auch deshalb kann uns niemand davon entbinden, das Modell zu verbessern, dass Kreative, Künstler und Wirtschaftsbetriebe abhängig von ihrem Nutzen und nicht nur abhängig von ihrem wirtschaftlichem Erfolg belohnt. Gallos Vorstoß ist geeignet diese Verbesserung aktiv zu verhindern, mithin Kreativen und selbst den Verwertungsgesellschaften zu schaden.
Definieren Letztere nicht ihre Rolle neu - wie sie es mit der Erfindung des Plattenspielers, des Radios, des Walkman, des Videorecorders immer wieder geschafft haben - werden sie weiter bestechen, manipulieren, ausbeuten und kriminalisieren.
Sich selbst damit jeder Rechtfertigung beraubend machen sie sich damit letzlich überflüssig.
Auch hier stellt das Grundgesetz weise fest: Eigentum verpflichtet.
[redigiert mit freundlicher Unterstützung von Vera]
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