Die Debatte um die Netzneutralität ist in vollem Gange. Doch was geht mich das an? Ich sage es Euch: die Internetfirmen wollen immer nur das Eine, nur unser Bestes! Sie wollen unser Geld. Zugegeben, manche möchten auch noch Moral. Ganz als gingen Moral und Geld irgendwie zusammen.
In den Niederlanden wurde gerade ein Gesetz verabschiedet, das es Internetzugangsanbietern verbietet für Internetdienste Dritter zusätzlich Geld vom Kunden zu fordern. Die Telekom oder auch Vodaphone selbst forderte kürzlich Geld von Google um Youtube-Videos besser an seine Kunden ausliefern zu können. Unverständlich, denn andere Provider schaffen das schließlich auch. Nicht youtube ist das Problem. Das Problem ist, dass die Telekom mehr verkauft als sie hat.
Dennoch, Bandbreite die damit entstehenden Kosten sind natürlich ein Problem für Anbieter, Provider und natürlich auch für die den Datenhighway realisierenden Peers. Wie jede Firma müssen sie mit ihren Ressourcen haushalten. Deshalb sind sie gleich auf mehrere Ideen gekommen.
Provider möchten sich den Zugang zu datenintensiven Diensten extra bezahlen lassen. Zum Einen möchte man von den Webseitenanbietern Geld für den Datentransport. Bezahlt also google nicht an die Telekom, dann werden Videos von youtube ruckeln so wie es heute bei der Telekom der Fall ist oder wenigstens war. Wie Anbieter an jeden einzelnen Internetanbieter der Welt bezahlen soll bleibt unklar. Klar ist nur, dass nichtkommerzielle Webseiten deutliche Probleme mit ihrer Erreichbarkeit bekommen werden.
Zum Anderen verlangt man von Kunden einen extra Bonus für "Premium-Inhalte" wie etwa youtube oder Skype. Zusätzlich möchte man verschiedene Dienste des Netzes mehr oder weniger unterbinden. Das geschieht heute schon beim Handysurfen wo Telefon über Skype natürlich für den Kunden viel billiger sein könnte als ein Gespräch über den Mobilfunkanbieter.
Weiter wird argumentiert, dass p2p viel zu viel Bandbreite braucht. Diesen Kostenfaktor möchte man sich sparen und sperrt kurzerhand bestimmte Datenkanäle (Ports) im Internet. Oder man verbiegt schon mal DNS-Anfragen. Letzteres ist auch die Technik, die bei Stopp-Schildern im Internet verwendet werden sollte. Mobilfunkanbieter gehen noch weiter. Sie fangen sämtliche Adressanfragen in ihrem Netz ein und beantworten sie selbst. Das kann allerdings sicher nicht mehr als Internetzugang bezeichnet werden. Damit wäre der Manipulation Tür und Tor geöffnet. Niemand würde mehr garantieren, dass die Webseite, die sie anwählten auch die ist, die sie wünschten.
Um neue Einnahmequellen zu generieren möchten die Internetzugangsanbieter Qualitätsklassen definieren. Wer viel Video über das Netz sieht, der soll dafür extra bezahlen. Genau so wie der, der p2p macht oder online spielt. Sogar die EMAIL soll kommerzialisiert werden oder ist kommerzialisiert.
Noch mehr Wünsche
Man möchte also in die Kommunikation im Netz direkt eingreifen. Du sollst nicht "skypen" und Du sollst kein Linux via p2p laden. Du sollst nur das im Netz tun, das unserem Geschäftsmodell oder gar unserer Moral nutzt. Das passt das genau in die Denkweise der Internetregulierter. Die sehen nicht die Kunden. Sie sehen nur ihr schwindendes Geschäftsmodell, weil sie sich der "neuen Technik" nicht anpassen können oder wollen. Begründet wird das mit den beschränkten Ressourcen im Internet. Es wird behauptet, es gäbe gar nicht genug Leitungskapazität um heutigen Anforderungen gerecht zu werden.
Die Probleme
Natürlich, wenn man vielleicht HDTV über das Internet übertragen möchte, dann wird es Probleme geben. Die Telekom hat dazu eine gute Lösung gefunden. Ihr IP-Fernsehen ist kein Internet. TV wird von der Telekom direkt an die Kunden geliefert. Das ist ein echter Mehrwert. Der belastet das Internet nicht. Erst in der letzten Meile wird TV in mit DSL integriert. Der Kunde bezahlt dafür. So ist es richtig, auch wenn die eingeschränkten Aufnahmemöglichkeiten mir persönlich nicht zusagen. Wenn so etwas im Internet geschieht, ein durch den Zugangsanbieter realisiertes Aufnahmeverbot oder besser gesagt ein Nutzungsverbot, so ist das inakzeptabel.
Undienste im Netz
Es gibt Dienste im Netz, die einfach nicht dort hineingehören. Diese Dienste wurden teilweise lange vor dem Netz erfunden. Die Technik dieser Dienste wurde einfach auf das Netz übertragen. Dass es auch anders geht, das zeigt Internettelefonie mit Skype. Hier wird mit einer besonderen Technik nicht einfach ein Telefonnetz im Internet simuliert. Hier wurde eine internetgerechte Lösung gefunden. Das wird von Kunden akzeptiert, weil es gut funktioniert. Solche Technik mit internetkonformen Protokollen schont letztlich das Netz.
mögliche Forderungen
Bevor neue kostenpflichtige Dienste im Internet etabliert werden ist sicherzustellen, dass das was Internet für uns ausmacht nicht gefährdet wird. Es muss sichergestellt werden, dass wir uns aus frei zugänglichen Quellen ungehindert unterrichten können. Und wir müssen unsere Meinung sagen dürfen, etwa wenn wir Anbieter sind. Es ist nicht Aufgabe von Firmen darüber zu entscheiden. Sie dürfen keinesfalls bestehende Dienste willkürlich durch kostenpflichtige Premium-Dienste ersetzen. Schon gar nicht durch Dienste Dritter. Youtube ist kein Dienst der Telekom.
Eine Art Basisinternet muss garantiert bleiben. Dieses Basisnetz ist inhaltlich definiert. Salopp gesagt: auch bei einer preiswerten Internetverbindung muss ich den AK-Zensur lesen können.
Anbieter werden nun sagen, das wäre ja garantiert. Niemand wolle eine Mauer errichten. Wenn aber eine Verletzung der Netzneutralität dazu führt, dass Inhalte verloren gehen, dann haben wir mehr als eine Mauer. Dann haben wir ein Loch. Finanziell motivierte Diskriminierung macht Seiten unbrauchbar und lässt sie verschwinden.
Deshalb mein Forderungsvorschlag:
- Daten (IP-Pakete) müssen von den Firmen unabhängig von Sender, Empfänger und Inhalt transportiert werden.
Diese Forderung ist analog zu den Pflichten der Post. Sie leitet sich direkt aus dem Grundgesetz ab. Es gibt ein Briefgeheimnis. Und Briefe werden befördert, ohne dass jemand auf Absender, Empfänger oder gar in den Brief hinein schaut. Ein Liebesbrief wird nicht langsamer transportiert als eine Rechnung nur weil es ein Liebesbrief ist. Freilich, eine Luftfrachtgebühr ist denkbar. Das nennt man im Internet "schnelles DSL". Klar, Geschwindigkeit darf kosten. Selbstverständlich!
- keine Manipultion von Internetpakten
Zugangsanbieter haben nichts an der Kommunikation des Kunden zu manipulieren. Ports dürfen nicht verbogen, umgeleitet oder gesperrt werden. Inhalte müssen unangetastet bleiben. Selbst dann, wenn es Fehler gibt. Die Praxis einiger Anbieter auf eigene Werbeseiten umzuleiten, wenn eine Webseite nicht gefunden wird, die kann lokale Netze beeinträchtigen. Manipulation von Datenpaketen widerspricht sämtlichen Standards, nach denen das Netz funktioniert. Zugangsanbieter dürfen nicht einfach "ihr Netz" nach Gutdünken definieren.
- Internetprovider müssen ihre Angebote definieren und garantieren.
6000'er DSL ist keine Definition. Wem nutzt ein schneller Anschluss, wenn der Internetprovider nur eine lahme Leitung ins Internet hat? Die heutigen Flatrates sind Mischkalkulation. Für Kunden bedeuten sie gerade einmal "bestenfalls". Deshalb ruckelten bei der Telekom die Youtube-Videos. Eine konkrete Angebotsdefinition verpflichtet die Provider für entsprechende Kapazitäten zu sorgen oder alternativ ein kleineres Angebot zu machen. Beides ist nicht nur fair, es entlastet auch das Netz.
- keine internetfernen Angebote im Internet
Internetfern sind klassische leitungsgebundene Inhalte wie Telefon, TV und so weiter. Wer internetferne, datenintensive Angebote in das Netz einbringen will, der muss irgendwie für die notwendige Infrastruktur sorgen. Das Internet kennt kein Besetztzeichen. Bei Leitungsüberlastung werden Daten einfach verworfen und ggF. von ihrer Software neu angefordert. Alle Protokolle müssen technisch darauf Rücksicht nehmen. Das entlastet das Netz und stellt den Transport klassischer Internetdienste sicher. Alternativ zwingt es die Firmen das Netz dafür auszubauen, wofür Kunden zahlen.
- Keine Internetsperren
Schon aus den bisherigen Forderungen ergibt sich die Konsequenz, dass es keine Internetsperren geben kann. Ohne Manipulation keine Sperre. Das steht im Einklang mit dem Grundgesetz und neuerdings auch mit dem Gesetzgeber und langsam auch mit der Meinung in der EU. Offensichtlich hat man erkannt, dass nicht die Kommunikation ein Verbrechen ist. Niemand kann über die Motivation von Kommunikation urteilen. Und niemand kann in Köpfe schauen. Das illegale oder gar menschenverachtende Angebot ist das Verbrechen. Notfalls müssen wir mit Gefahren leben - ganz wie in der Wirklichkeit. Was uns nicht hindert, uns dagegen aufzulehnen.
Kundenwünsche
Es gibt weitere Möglichkeiten. Internetzugangsanbieter könnten dem Kunden die Möglichkeit einräumen den Anschluss je nach Nutzung und Bedarf "schneller" zu machen. "Schneller" definiert sich in Parametern wie Übertragungsgeschwindigkeit, Latenzzeit (Fastpath) oder Jitter. Keine Sorge, der Kunde muss nicht wissen was das ist. Die Software des Kunden, das Mailprogramm, der Browser oder das Videoprogramm könnte der Telekom sagen, was der Kunde gerade braucht. Die Telekom könnte nun die Daten über passende Leitungen übertragen. Sie könnte auch ihren Internetpartnern (Peers) mitteilen, dass dieses Paket auf Wunsch des Kunden nun mit bestimmen garantierten Parametern wird.
Das bedeutet: aufgrund technischer Anforderungen des Kunden und nur des Kunden werden die Daten mit bestimmten garantierten Parametern übertragen. Die Folge: das Spiel reagiert schneller, das Video ruckelt nicht und Skype hat keine Aussetzer. Der Zugangsanbieter spart dafür Kosten und Leitungskapazität. Für ein Internetspiel müssen Daten nicht unbedingt mit einer hohen Datenrate übertragen werden. Die Latenz ist technisch viel wichtiger. Eine von Gamern heute bevorzugte high-end Internetverbindung ist dazu gar nicht notwendig. Es gibt eine ganze Reihe von Techniken, die das ermöglichen. Am bekanntesten sind einfache Proxys oder auch Fastpath. Auch p2p-Techniken sind gut geeignet, das Netz zu entlasten. An effektiven Routingmechanismen wird schon sehr lange gearbeitet.
Der Internetzugangsanbieter muss die technischen Voraussetzungen schaffen, um seine Garantien einzuhalten. Das ist fair, denn der Kunde bezahlt dafür. Von unerreichbaren Maximalgrößen hat er aber gar nichts.
technische Qualitätsklassen
Mein Modell der technischen Qualitätsklassen unterscheidet sich grundsätzlich von den inhaltsbezogenen Modellen der Internetzugangsanbieter. Mein Modell der Qualitätsklassen als definierte und garantierte Übertragungsparameter bringt Vorteile für Kunden, Internetanbieter und Zugangsanbieter. Es erzwingt einen Netzausbau, der durch die tatsächlich vom Kunden geforderte, bezahlte und vom Anbieter garantierte Leistung möglich wird. Es stellt sicher, dass die Basisdienste des Netzes (Surfen, Mailen usw) auch auf einem preiswerten Minimallevel möglich bleiben. Niemand muss dazu in Pakete hinein schauen.
Anbieter, wie youtube bezahlen sowieso für ihre Internetanbindung ganz genau wie der Privatkunde. Vereinfacht gesagt wird Google seine Leitung für youtube passend für Videos gemietet haben. Hätte Google das nicht getan, so würde keine Verletzung der Neutralität hier irgend etwas verbessern. So zahlt jeder für die Leistung, die er fordert. Eine grundrechtlich problematische Auswertung der Internetkommunikation ist dazu nicht notwendig.
technische Normung
Selbstverständlich ist das Zukunftsmusik - obwohl wir größtenteils über die benötigte Technik verfügen. Es muss geklärt werden, wie die Software des Kunden seine Wünsche an den Provider weiter gibt. Ein Telekom-Webbrowser wäre nicht so sinnvoll. Es gibt unzählige internetfähige Anwendungen. Ein Zugangsanbieter ist gar nicht in der Lage, all diese Anwendungen anzupassen. Solche technischen Spezifikationen werden seit den Anfängen des Internet als RFC formuliert. Die Spezifikation in einem RFC stellt sicher, dass die Technik auch mit dem Notebook im Urlaub funktioniert. RFSs sind die technischen Gesetze des Internet.
Netzneutralität
Aus meiner Sicht darf es keinen Eingriff in die Netzneutralität geben. Die Vorstellungen der Zugangsanbieter sind nicht nur inakzeptabel. Sie sind auch Innovationshemmend..Qualitätsklassen dürfen nicht aus dem Inhalt der Internetkommunikation abgeleitet werden. Sie dürfen nicht vom Ziel oder der Quelle der Kommunikation im IP-Paket abhängen. Hineinschauen in die Daten, das sogenannte DPI, geht wegen des Telekommunikationsgeheimnisses gar nicht. Eigenmächtige Entscheidungen der Internetfirmen über die Qualitätsklasse sind grundrechtlich nicht zu vertreten.
weitere Info
wer mehr zur Netzneutralität wissen möchte, dem sei Folgendes empfohlen
- Heise beschäftigt sich schon lange mit dem Thema
- Die wunderbare Welt von Isotopp macht konkrete Vorschäge und Definitionen.
- Natürlich die Statements von Lutz Donnerhacke
- und überhaupt die Netzneutralitätsecke der Internetenquete des Bundestags.
Das klingt alles absolut verünftig! Wird echt Zeit, dass in die ganze Sache mal ein bisschen System hihein kommt. Aber dauert ja immer ewig, bis solche Dinge mal Aufmerksamkeit bekommen und der Ernst der Lage klar wird. Internet ist schließlich heute auch nichts weiter als ein ganz normales Medium, also müssen gerechterweise auch hier die gleichen Regeln gelten wie im realen Leben.
Ich hoffe wirklich, dass da Bewegung in die Sache kommt und auch die Politik beginnt zu verstehen wie wichtig Netzneutralität wirklich ist. Wobei man sich dann wieder fragen muss ob die überhaupt ein Interesse daran haben. Das die Industrie das nicht will scheint klar.
Hab das Gefühl es traut sich einfach keiner (von den Politikern) so recht an die Sache heran, einfach weil das Internet sich so irre schnell entwickelt und immer schwieriger zu kontrollieren ist. Man verliert einfach schnell den Überblick und muss vor allem immer am Ball blaiben, wenn man es richtig machen will!
Solange die Industria (und somit die Politik) handfeste Gründe hat, eine echte Netzneutralität zu verhindern, solange wird es sie nicht geben. Bei jedem kleinen Anlass wird die Angst der Gesellschaft vor dem großen bösen Netz geschürt.
Und dann sitzen an den Hebeln der Macht Menschen, für die E-Mail Hightech ist. Das ist auch ein Generationenproblem. Wenn wird erst die nächste Generation von Politikern, die mit dem Netz aufgewachsen ist, sinnvolle Wege einschlagen.
Das Internet entwickelt sich rasend schnell weiter und breitet sich immer mehr aus. Ich habe das Gefühl, das jeder machen darf, was er möchte. Grade diese Internet Anbieter, die einem eine 16000Leitung andrehen und man dann überhaupt nicht das bekommt, was man gekauft hat, sowas geht gar nicht.
Finde es sehr Sinnvoll, dass es mal jemand auf den Punkt bringt und sagt was Sache ist. Politiker sind doch nur die Schachfiguren der Wirtschaft. Von dir lese ich gerne mehr.
Schön auf den Punkt gebracht! Man kann nur hoffen, dass das Thema Netzneutralität früher oder später mehr Beachtung findet und die Politiker es auch als ein wichtiges Thema ansehen.