In der Nacht zum Freitag habe ich – ja, reichlich spät – den wichtigsten Parteien in Nordrhein-Westfalen ein paar Fragen zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag geschickt. Schließlich ist dort am Sonntag Wahl. Im Folgenden die Antworten und eine kurze Einschätzung.
Trotz der Kurzfristigkeit hat es ein Drittel der angeschriebenen Parteien geschafft, den kompletten Fragebogen zu beantworten: Die Piraten und die Grünen. Von der FDP kam ein Verweis auf den Beschluss beim Bundesparteitag, von der SPD der Verweis auf das Wahlprogramm mitsamt Ankündigung, die Fragen nach der Wahl zu beantworten. Von der CDU hat eine Mitarbeiterin angerufen und gesagt, dass die Fragen zu kurzfristig kamen. Da hat sie natürlich Recht, aber gleichzeitig sind CDU und die Linken – die sich gar nicht gemeldet haben – die einzigen der angeschriebenen Parteien, die nichts inhaltliches sagen wollten.
Bevor ich auf die Antworten und einzelnen Parteien im Detail eingehe, ein paar Tipps für weitere Informationen zu netzpolitischen Themen, nicht nur zum JMStV:
- Analyse der Wahlprogramme in Bezug auf Netzpolitik durch politik-digital
- Antworten der Parteien auf die Wahlprüfsteine des Wikimedia e.V.
- Was Politiker über Blogs denken (3sat neues)
Antworten
Die Grünen und die Piraten haben die Fragen komplett beantwortet, daher diese hier in einer Zusammenfassung:
Piraten | Grüne |
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1. Haben Sie sich mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und dem aktuellen Entwurf beschäftigt, oder verlassen Sie sich hierbei auf die Expertise und die Entscheidung der zuständigen Staatskanzlei in Rheinland-Pfalz bzw. der Rundfunkkommission der Länder und der Ministerpräsidenten? | |
Ja. Das Internet spielt bei uns nicht nur eine zentrale Rolle. Die Piratenpartei ist die Partei, die Technik und Philosophie des Internets sowie seine sozialen Auswirkungen auf die Gesellschaft verstanden und verinnerlicht hat. | Wir haben uns schon im Vorfeld der Verhandlungen über die Diskussionspunkte informiert und hierüber Gespräche mit verschiedenen Akteuren geführt. Bisher war das Parlament ja nur sehr oberflächlich eingebunden, da ja momentan seit Ende März lediglich ein "Konsultationsprozess" läuft. Wir vertrauen bei solchen Prozessen nie grundsätzlich den Staatskanzleien, sondern stimmen uns hier mit ExpertInnen und inner-grün ab. |
2. Die Regelungen zum Jugendschutz im Internet sind in Deutschland die strengsten in der westlichen Welt. Halten Sie die bisherigen Regelungen für überarbeitungsbedürftig und wenn ja in welcher Hinsicht? |
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Ja. Regelungen zum Jugendschutz im Internet können keine alleinige Lösung für dieses Dilemma in einem freien Netz sein. Anstatt weitergehende Gängelungen einzuführen, sehen wir, dass man seitens der Eltern und der Schulen mit Erziehung zu mehr Medienkompetenz ansetzen muss. Der Staat soll den Eltern nicht die Erziehung abnehmen, sondern einen Rahmen abstecken und Eltern und Schulen Angebote bereitstellen, durch die sie die nötigen Kompetenzen erlernen können. | Wir halten die bisherigen Regelungen für nicht zukunftsfähig. Auch die direkte Verbindung zwischen Rundfunk und Telemedien gehört unserer Meinung nach auf den Prüfstand, da teilweise völlig unterschiedliche Dinge betroffen sind. Zudem bedarf es einer weiteren Klarstellung des Anbieterbegriffs und auch der Verantwortlichkeit von Seitenbetreibern und auch von Zugangsanbietern. |
3. Am 25. März haben die Ministerpräsidenten der Länder dem Entwurf zur Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) zugestimmt. Eine Zustimmung der Landtage gilt als Formsache. Fühlen Sie sich über den Entwurf gut genug informiert? |
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Nein, denn außer den Entwürfen ist von seiten der Staatskanzlei RLP nicht viel Information zu bekommen. Erst in direkten Gesprächen vor Ort konnte die Piratenpartei erfahren, was mit einzelnen Paragraphen gemeint ist. So darf das nicht laufen! Transparenz sieht anders aus. Schade, dass es nur eine unkommentierte Fassung zum Download gibt! Damit sich Bürgerinnen und Bürger ein klares Bild über den Vertrag machen können, muss es auch während der Ausarbeitung kommentierte Fassungen geben. Zudem ist es äußert schwierig, nur die Änderungen in einem Dokument zu haben – damit macht man das Lesen nicht gerade einfacher. |
Nein. Die Hinterzimmerdiplomatie der Staatskanzleien ist undemokratisch gegenüber Wählerinnen und Wählern und den jeweiligen Parlamenten. Eine öffentliche Information der Parlamente über den Diskussionsprozess findet nicht statt. Hier bedarf es grundlegender Reformen. |
4. Staatsverträge der Länder werden meist von den Staatskanzleien ausgehandelt und von und den Ministerpräsidenten der Länder beschlossen. Die Parlamente haben während des Entwurfs kaum Mitspracherecht und sollen über das Ergebnis anschließend abstimmen. Halten Sie dies, auch im Hinblick auf den JMStV, für das richtige Verfahren? |
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Nein, auf keinen Fall. Staatsverträge gehören in die Parlamente. Die bisherige Praxis muss geändert werden. Dies bedeutet zwar einen Mehraufwand für die Parlamente, aber auch eine stärkere demokratische Kontrolle. Die meisten Staatsverträge berühren weite Lebensbereiche der Bevölkerung. Daher muss eine breite Kontrolle der Verträge statt finden: von der Verhandlung über die Unterschrift bis hin zur Ratifizierung ist dieser Prozess offen und transparent zu gestalten. | Nein, siehe die angesprochenen Probleme in Frage 3. Die Probleme liegen nicht nur beim JMStV vor, sondern auch bei den RStV etc. |
5. Halten Sie die im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag vorgesehen Instrumente prinzipiell richtig, um Jugendschutz im Internet zu betreiben und Medienkompetenz zu fördern? |
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Nein, Medienkompetenz vermittelt man nicht mit Verboten und Schranken. Vielmehr muss sie im Elternhaus gelehrt und erlernt werden. Dass vielen Eltern diese Kompetenz fehlt, beweist nur, dass das bisherige Prinzip nicht funktioniert hat. Siehe auch unsere Antworten zu 2. | Nein. Statt immer neuer Instrumente bedarf es einer stärkeren Durchsetzung der bestehenden Regelungen. Die vorgeschlagenen Instrumente sind in Teilen falsch bzw. unserer Ansicht nach nicht wirksam genug. Prozesse wie "notice and take down" zeigen aber gewisse Erfolge und entsprechen auch der Wirklichkeit von Prozessen im Internet. Die Förderung der Medienkompetenz kommt uns im JMStV aber zu kurz und hier bedarf es auch in den Ländern größerer Anstrengungen. Es geht dabei um eine Kompetenzvermittlung an die gesamte Bevölkerung, nicht nur an junge Menschen. |
6. Halten Sie den JMStV für ein verständliches, klares und eindeutiges Regelwerk? |
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Nein. Die Bestimmungen tragen zu einer großen Verunsicherung unter allen bei, die in irgendeiner Form im Internet publizieren oder sich äußern. Allein schon die Tatsache, dass man die traditionellen Denkmuster des Rundfunks und der Printmedien auf das Internet überträgt, zeigt uns PIRATEN, dass hier ein grobes Mißverstehen der Funktionsweise und der Kommunikation im Netz herrscht. | Der JMStV ist nicht leicht verständlich und auch in Teilen nicht eindeutig genug, sondern lässt viel Interpretationsspielraum. Deswegen setzen wir uns grundsätzlich für lesbare und für den Bürger verständliche Gesetze ein, nicht nur beim JMStV, sondern bei allen Gesetzen. |
7. Mit der Novellierung des JMStV soll verstärkt der Einsatz von „Jugendschutzprogrammen“, also technischen Filter-Programmen, vorangetrieben werden. Bei der Evaluation des JMStV wurden die bisherigen Erfahrungen mit solchen Programmen nur am Rande untersucht; in seiner Analyse kam dabei das JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis u.a. zu dem Ergebnis, dass Filter die pädagogische Arbeit behindern und verkomplizieren. Halten Sie es dennoch für richtig, dass der novellierte JMStV Filterprogramme als zentrales Instrument stärker fördern will? |
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Nein. Auch Filterprogramme führen nicht zu einem verbesserten Jugendschutz. Sie tragen in den aktuellen Ausführungen auch vermehrt dazu bei, dass völlig harmlose Inhalte gesperrt werden. Zudem ist nicht geklärt, inwieweit freiwillige Kennzeichnungen Inhaltsanbieter vor Klagen schützen können. Auch ist unklar, wie die Entwicklung dieser Programme finanziert werden soll – wir gehen davon aus, dass einfach alle Internetnutzer zu Kasse gebeten werden. | Freiwillige Filter können unterstützend wirken, wenn in der Familie und Gesellschaft über Sinn und Zweck auch gesprochen wird. Filter können aber wenn überhaupt nur begleitend wirken und sind kein Allheilmittel. Zumal die Einstufungen teilweise zu hinterfragen sind. Im Vorfeld der Europawahl 2009 war www.gruene.de zeitweise als "Ab 16" eingestuft. |
8. Der aktuelle Entwurf des JMStV sieht weiter die Möglichkeit vor, dass Internet-Zugangs-Anbieter verpflichtet werden können, ausländische Internet-Inhalte zu blockieren (§ 20 Abs. 4 JMStV i.V.m. § 59 Abs. 4 RStV). Auf technischer Ebene müssten damit die gleichen Methoden zum Einsatz kommen, wie sie auch im Zugangserschwerungsgesetz vorgesehen waren. Die Kommission für Jugendmedienschutz hat in ihrem Dritten Bericht angekündigt, dass sie solche Sperrverfügungen erlassen werde. |
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Nein. Die Argumentation hinsichtlich Websperren ist bekannt. PIRATEN lehnen Websperren in jeglicher Form ab. | Wir halten diese eingeschlagene Richtung für falsch. Wir haben große Sorge das mit dem Aufbau dieser umfassenden Sperrinfrastruktur ein Dammbruch geschieht und zukünftig vielseitig Seiten und Inhalte gefiltert und geblockt werden. Zumal es falsch ist, ein "geschlossenes Deutschland-Netz" aufzubauen oder alleine nur zu wollen. |
9. Der Entwurf des JMStV vom 25. März 2010 sieht vor, dass die Betreiber von Webseiten und Online-Plattformen sicherstellen müssen, dass beispielsweise 6- oder 12-jährige Kinder „erziehungsbeeinträchtigende“ Inhalte nicht sehen. Freiwillig ist dabei nur die Wahl der Methode: die „Sendezeitbegrenzung“, Altersverifikation oder Kennzeichnung der Inhalte (siehe § 5 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 11 Abs. 1 JMStV-E). Das läuft für fast alle normalen Webseiten auf eine de facto Kennzeichnungspflicht heraus, da die anderen Methoden unpraktikabel sind. |
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Nein. Mangels juristischer Kompetenz und Verunsicherung durch die neuen Regeln werden die weitaus meisten Ersteller von Web-Seiten und Online-Plattformen entweder ihre Inhalte als »ab 18« deklarieren oder aber ganz auf ihr Angebot verzichten. Die Piratenpartei sieht darin einen Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit. | Die Methode Sendezeitbegrenzung ist nicht umsetzbar, bzw. zeigt deutlich das Problem das Rundfunk und Telemedien nicht gleichzusetzen sind. Daher ist es ein Irrwitz, Sendezeiten aus der analogen Zeit in die digitale zu übertragen. Auch die Vorgabe der Verifikation oder Kennzeichnung ist für viele kleinere Angebote kaum leistbar bzw. führt zu Rechtsunklarheit, da ja auch für gesetzte Links eine Kennzeichnung erforderlich ist, was gerade bei ausländischen Angeboten nicht möglich ist. Dies zeigt einen Aktionismus der wenig bringt, Verunsicherung streut und nicht zukunftsfähig ist. |
10. Wenn ja: Wie sollten Ihrer Ansicht nach beispielsweise die deutschsprachige Wikipedia (über eine Million Artikel), die laut Allensbach-Studie 4,5 Millionen Blogger Deutschlands, Vereine und Initiativen, ausländische Webseiten, Echtzeit-Kommunikations-Dienste und so weiter die Kennzeichnung leisten bzw. logistisch umsetzen? |
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— | Da Frage 9 kritisch bis ablehnend beantwortet wurde ist hier eine weitere Ausführung nicht notwendig. |
11. Der JMSt-Entwurf sieht in §5 Abs. 3 weitgehende Prüf- und Überwachungspflichten für Anbieter sozialer Netzwerke und ähnlicher Dienste vor, wenn diese von den Nutzern erstellte Inhalte enthalten. Im Telemediengesetz (TMG) des Bundes werden solche Pflichten aber explizit ausgeschlossen. Halten Sie die neuen Überwachungspflichten im JMStV für richtig und nötig? |
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Nein. Derartige Pflichten sind völlig realitätsfern und nicht durchführbar. Beliebte Blogs mit vielen Kommentaren, Online-Zeitungen oder soziale Netzwerke müssten entweder ihr Personal aufstocken oder die Dialogfunktionen abschalten. | Sie sind nicht nötig. Wir wollen den Anbietern solcher Plattformen Vorgaben im Bereich des Datenschutzes machen, da hier Bürgerrechte permanent abgebaut werden. Vorgaben bei "user generated content" eine Vorkontrolle der Inhalte durchzuführen sind genausowenig wie eine permanente Kontrolle dieser Inhalte möglich und daher ist der Ansatz nicht zielführend. |
12. Werden Sie dem JMStV-Entwurf in seiner jetzigen Form ohne einen grundlegenden Neuanfang zustimmen? |
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Nein, der jetzige Entwurf des JMStV zeugt vor allem vom Unverständnis der Politik für das Medium Internet und ist in dieser Form nicht tragbar. Handwerkliche Mängel gesellen sich zu technischem Unverständnis. Damit wird nur die Tradition des bisherigen JMStV weitergeführt, den die PIRATEN bereits ablehnen. | Eine Zustimmung ist momentan nicht vorstellbar da der Vertrag schon jetzt überholt und nicht zukunftsfähig ist. Man wird aber abwarten müssen was auf der Ministerpräsidentenkonferenz in vier Wochen passiert und wie es grundsätzlich bei dem Thema weitergeht. Daher ist eine abschließende Ja oder Nein Antwort nicht möglich, da man schauen muss wie das Thema Jugendmedienschutz generell und besonders im Internet weiter angegangen wird. Unter den aktuell gegebenen Umständen ist aber eine Ablehnung die Antwort, da wir umfangreiche Kritik am aktuellen Entwurf haben. Der Versuch wäre nach der Wahl am 9. Mai entscheidende Verbesserungen durchzusetzen und dann eine grundsätzliche Reform im Bereich des Jugendmedienschutzes anzugehen. |
13. Wenn ja, warum halten Sie ihn für notwendig, welche Verbesserungen bringt er? |
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Sonstiges |
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Die Piratenpartei NRW hat am 2010-02-22 eine Pressemitteilung herausgegeben und dort ihre Position recht ausführlich dokumentiert. Weiter gab es bundesweit Protestaktionen der Piratenpartei gegen den JMStV. | — |
Antworten der anderen
Marc Jan Eumann, Landtagsabgeordneter der SPD, antwortete, dass er die Fragen zu einem späteren Zeitpunkt beantworten wird. Auf meine Bitte, wenigstens etwas dazu zu sagen, ob er für oder gegen den aktuellen Entwurf ist, kam keine Reaktion. Dafür ist die SPD die einzige Partei, die in ihrem Wahlprogramm zur NRW-Wahl etwas zum JMStV geschrieben hat:
Im Rahmen der Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) muss das berechtigte Ziel des Jugendschutzes in einen Einklang mit den Sorgen der Anbieter und Nutzer gebracht werden, die insbesondere frühere Entwürfe als realitätsfremd ansahen. Die NRWSPD wird sich aktiv an der Weiterentwicklung des JMStV beteiligen um einen Ausgleich zwischen allen Interessensgruppen zu erreichen. Hierbei ist es selbstverständlich – und bedarf keiner gesonderten Regelungen – dass die freie und unzensierte Struktur des Internets nicht beeinträchtigt werden darf und für verbotene Inhalte das Gebot „Löschen statt Sperren“ gilt.
Für die FDP antwortete Ralph Sterck, Hauptgeschäftsführer der FDP-NRW:
wir bitte um Verständnis, dass wir Ihnen in der Kürze der Zeit keinen vollständig ausgefüllten Fragebogen zusenden können. Auf dem 61. Ord. Bundesparteitages der FDP in Köln am 24.-25. April 2010 hat die FDP im Leitantrag „Liberale Rechtspolitik im Zeichen der Bürgerrechte“ auf S. 5 folgende klare Aussagen aus dem beigefügten Antrag beschlossen:
„Der aktuelle Entwurf zur Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV-E) in seiner Form vom 12. März 2010 ist abzulehnen. Die Landtagsfraktionen der FDP sind aufgefordert, sich deutlich gegen den Staatsvertrag auszusprechen und eine transparente Diskussion darüber zu fordern, wie der Jugendmedienschutz in Zukunft gestaltet werden kann. Ein praxistauglicher Jugendschutz im Internet muss dem besonderen Charakter eines globalen, freien und partizipativen Netzwerkes, das sich in seinen technischen und sozialen Strukturen rasant wandelt, gerecht werden. Der aktuelle Entwurf des JMStV kann diese Ansprüche nicht erfüllen.“
Von der CDU gab es wie berichtet die telefonische Rückmeldung, dass sie es so kurzfristig nicht schaffen werden.
Von der NRW-Linken hat sich niemand gemeldet.
Subjektive Einschätzung
Mein vollkommen subjektiver Eindruck, wie die Parteien in NRW sich nach der Wahl, wenn es um die Entscheidung geht, verhalten werden – sofern sie Regierungsverantwortung tragen. In allen Ländern müssen die Parlamente zustimmen.
CDU
Bei der CDU ist der Fall klar: soweit sich die zuständigen Personen sich damit beschäftigt haben, finden sie den JMStV gut. Zwar kommt Thomas Jarzombek, der große Kritiker des JMStV aus den Reihen der CDU, aus NRW, aber er ist da eher eine Ausnahme und sitzt seit 2009 nicht mehr im Landtag sondern im Bundestag.
Fazit: Die CDU wird zustimmen, wenn sie die Regierung stellt.
SPD
Bei der ist es schwieriger. Zwar ist sie die einzige Partei, die den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag im Wahlprogramm erwähnt und sich da auch sehr kritisch äußert. So sieht die Partei „insbesondere frühere Entwürfe als realitätsfremd“ an – das dürfte auch noch für die aktuellen Entwürfe gelten, viel hat sich ja nicht geändert. Aber insgesamt scheint es in der NRW-SPD verschiedene Strömungen zu geben, auch die starken Befürworter des jetzigen Entwurfs zum JMStV.
Fazit: Die SPD alleine würde wohl „zähneknirschend“ zustimmen, vielleicht noch kleine Änderungen anbringen. Da die Ablehnung im Wahlprogramm groß ist, könnte ein kleiner Koalitionspartner aber eine Ablehnung oder größere Änderungen durchsetzen – den jetzigen JMStV gegen den starken Willen eines Koalitionspartners durchzudrücken würde die letzte Glaubwürdigkeit der SPD im Netz zerstören.
FDP
Die NRW-FDP hat auf den Leitantrag des Bundesparteitags verwiesen, in dem der JMStV ausdrücklich abgelehnt wird. In einer Erklärung vom Februar wird nur gefordert, Access-Blocking aus dem Gesetz zu streichen.
Fazit: Die FDP ist zwar nicht dafür – dass aber die NRW-FDP einen Koalitionskrach für die Ablehnung des JMStV riskieren würde, kann ich mir im Gegensatz zur Bundes-FDP nur schwer vorstellen. Aber ein paar Korrekturen würden sie unterstützen. Und wenn mit Hilfe der anderen Länder Änderungen durchgesetzt werden können, ist die NRW-FDP auch mit dabei.
Grüne
Die Grünen lehnen die Regelungen des JMStV ab, das zeigt auch ihre Antwort auf unsere Fragen. Da gibt es nichts zu deuten. Aber …
Fazit: Würden die Grünen die absolute Mehrheit im Parlament stellen, wäre ihre Ablehnung ohne große Korrekturen klar. Dieser Wahlausgang ist natürlich unrealistisch, daher würde bei Koalitionsverhandlungen auch der JMStV mit in die Verhandlungsmasse wandern. Ohne große Änderungen werden die Grünen kaum zustimmen. Mit Hilfe der anderen Länder ließen sich essentielle Verbesserungen durchsetzen, denen die Grünen zustimmen könnten – oder der Staatsvertrag scheitert durch die Uneinigkeit der Länder gleich ganz. Denn: alle Landesparlamente müssen zustimmen.
Linke
Der NRW-Linken ist das Thema offensichtlich egal.
Fazit: Als Opposition wird die Linke dagegen stimmen. Als Regierungspartei so, wie es der Koalitionspartner wünscht.
Piraten
Die Piraten haben zwar in ihrem Wahlprogramm den JMStV verschlafen. Das kann man durchaus als peinliche Panne bezeichnen – gerade bei einer Landtagswahl gehört ein solches Landes-Thema mit rein. Dennoch: Als Netzpartei ist das Thema für die Piraten natürlich wichtig. Die Ablehnung ist daher selbstverständlich.
Fazit: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Piraten in den Landtag einziehen. Daher bleibt ihr Einfluss eher symbolisch. Eine Ablehnung des jetzigen Entwurfs zur Änderung des JMStV kann aber als sicher gelten.
Wen Wählen?
Die Entscheidung eine Partei oder einen Kandidaten zu wählen sollte man nicht nur von einem Thema abhängig machen. Es gibt viele wichtige Themen – und daher gibt es hier auch keine Wahlempfehlung. Das muss jeder individuell selbst herausfinden.
Aber ein Tipp: es gibt durchaus die Möglichkeit, mit der Erststimme einen der aussichtsreichen Kandidaten (in der Regel entscheidet es sich zwischen CDU und SPD) und mit der Zweitstimme eine andere Partei zu wählen. Eine rudimentäre Hilfe gibt auch wie immer der Wahl-O-Mat – WEN WÄHLEN? habe ich zur Landtagswahl leider nicht geschafft.
Und: Bitte geht wählen!
Die Piraten in NRW scheinen ein Chaoshaufen zu sein, vergessen sie doch das wichtigste netzpolitische Landesthema in ihrem Wahlprogramm. OMG!
Jetzt weiß ich wenigstens, wen ich nicht wählen werde.
Ob die Ablehnung der Grünen in der Opposition so klar ist, weiß ich nicht (wir erinnern uns schmerzlich an deren Abstimmungsverhalten zum ZugErschwG).
Ich fürchte in einer Koalition werden netzpolitische Themen von den Grünen geopfert werden, um die Kernthemen der Grünen voranzubringen.
CDU und SPD sind leider blind, was demokratische Verhältnisse im Internet angeht.
Die FDP wird traditionell mit dem Meistbietenden stimmen. Traurig, aber leider Realität.
Und die Piraten? Wie du ja sagst, sind die Chancen ins Parlament einzuziehen relativ unwahrscheinlich, aber falls es dazu kommen sollte, wäre ein Ablehnung des JMStV absolut sicher.
Dass das Thema nicht im Wahlprogramm auftaucht ist in der Tat schade, aber da es für die Piratenpartei ein politischer Allgemeinplatz ist, solche undemokratischen, intransparenten Verträge abzulehnen, ist das aber auch kein Beinbruch.
Ich find das gar nicht so tragisch, dass das (zu) kurzfristig gelaufen ist. Was die Parteien vor der Wahl sagen und was sie hinterher ... ihr wisst schon.
Wichtiger ist, dass dokumentiert ist: Hier gibt es Leute mit Interesse daran, dass das sauber und bürgerfreundlich läuft, und die gucken euch Entscheidern auf die Finger.
Haha, die Linken !
Immer dagegen sein und sich als Opfer stilisieren können sie, aber sonst steckt nix dahinter.
Und warum ist der Jarzombeck in der CDU ? Das sind ja auch total die netzverweigererer.
Na? Klar zum Kentern?
http://www.zeit.de/2010/19/Piratenpartei?page=all
Es macht ja auch mehr Spaß, sich intern zu streiten, als Inhalte zu transportieren!
Hätte die Piraten NRW reinschreiben sollen. Aber schon die frühe Pressemitteilung stellt die Position klar. Sie ergibt sich aus dem Grundsatzprogramm.
Das ist so selbstverständlich, das müssen die nicht mal in ein Wahlprogramm schreiben. Genau deswegen ist das wohl auch untergegangen. Das wäre so alle würde die SPD/CDU/FDP/GRÜN in Ihr Programm schreiben: "wir werden alle Entscheidungen innerhalb unserer Partei demokratisch beschliessen" ;-)
Und worauf basiert Dein Fazit bei der Linken?
Deren Position zu netzpolitischen Themen und zum JMStV hättest Du übrigens schon hier lesen können:
http://blog.wikimedia.de/wahlpruefsteine-antworten-nrw-2010/
in meinen Augen glasklare Aussagen.
Das dumpf-dödelige Fazit "in der Opposition dagegen, in der Regierung je nach Koalitionspartner" passt genauso gut zu den Grünen. Wie diese sich bspw. in der schwarz-grünen Koalition in Hamburg prostituieren ist beispielhaft dafür.
Leider muss ich dir zustimmen. Ich wohne in NRW und hätte gerne die PIRATEN gewählt. Leider ist die Partei hier keineswegs so organisiert, dass ich sie unterstützen möchte. Ich denke, dass das Ergebnis hätte besser sein können.
Aus netzpolitischer Sicht ist dabei die spannendste Frage, wie sich die Parteien beim Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) positionieren.
Cheers
Es ist ja nicht das erste Mal das eine Partei ein für sie wichtiges Thema im Wahlprogramm "vergisst". Dennoch finde ich, dass die Piratenpartei im Endspurt des Wahlkampfs viel zu sehr auf Werbekampagnen gesetzt hat, als an der Organisation und den Grundsatzthemen zu feilen.