Ein Kommentar zum Interview mit Martin Stadelmaier über den JMStV
Meinen Kommentar schreibe ich aus medienpädagogischer Sicht, Grundsätzliche Kritik wurde bereits von Alvar Freude geschrieben.
Herr Stadelmaier sagt, dass der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) Kinder und Jugendliche schützt. Das leistet der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag per se nicht. Nur eine Anwendung von Maßnahmen, die Jugendschutz als konzertierte Aktion mit qualifizierender Information, offenem Dialog mit den Betreffenden und nachhaltiger Begleitung realisiert, kann dem Auftrag „Jugend zu schützen“ im Sinne von Sozialisation gerecht werden.
Beim geplanten JMStV ist die Rolle des Nutzer und des Nutzens undurchsichtig und bedenklich. Das gepriesene „nutzerautonome System“ soll, intransparent für die eigentlichen Nutzer – nämlich Jugendliche – durch die Nicht-Nutzer Eltern installiert und verantwortet werden. Das gibt die Frage nach der Qualifizierung der in der Verantwortung allein gelassenen Eltern auf und führt zu der bestätigten Befürchtung, dass die nicht kommerziellen Inhalte-Anbieter ebenso überfordert werden. Dazwischen werden Jugendliche in ihrer Lebenswirklichkeit zerrieben. Nutznießer sind allein kommerzielle Anbieter, die durch vermeintlich gegebene Rechtssicherheit durch den JMStV, ihre Geschäftsmodelle undiskutiert via FSM-Tool ohne Nachhaltigkeit markieren und von unliebsamer Konkurrenz verschont, vermarkten können. Das nutzt den Lobbyisten der Content-Industrie, aber nicht den Jugendlichen in ihrer Entwicklung.
Wir brauchen keine „positive Diskussion“, die Versäumnisse des Staates und der Länder hinsichtlich der bisher unzulänglichen Auseinandersetzung des Medien- und Kulturwandels im Umbruch der Gesellschaft kaschiert. Hier reichen keine Sensibilisierung-Kampagnen oder ein Ausbau von Jugendschutz.net zur Kommunikationsagentur. Notwendig ist eine verbriefte Bildungsoffensive zur digitalen Gesellschaft, die ethische Fragen mit Kompetenz stärkenden Angeboten beantwortet. Es fehlt die untrennbare Aufnahme von Medienpädagogik als Pflichtveranstaltung im JMStV. Eltern in Verantwortung zu nehmen verlangt, sie vorzubereiten und qualifiziert zu begleiten. Jugendliche kompetent zu schützen, verlangt einen permanenten Diskurs über Bildungschancen im Abgleich mit Realitäten in Zeiten globaler Netzkommunikation.
Der Verweis von Herrn Stadelmaier auf das medienpädagogische Engagement in Rheinland Pfalz kann nicht befriedigen. Tatsächlich agiert RLP beispielhaft, allerdings sind quantitative Ausstattungsmerkmale kein Garant für einen Medienkompetenz-Durchsatz. Andere Bundesländer, für die nun ja auch der JMStV gilt, sind hier äußerst inaktiv weil keine gesetzliche Verpflichtung zur medienpädagogischen Intervention besteht. Allein dieser Fakt zeigt die Notwendigkeit, die Ratifizierung des JMStV auszusetzen um politische Ergebnisse u.a. aus der Runde der Enquête-Kommission Internet und digitale Gesellschaftund des vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend initiierten „Forum Internet“ in eine taugliche Novellierung einfließen zu lassen.
Technik kann Erziehung nicht ersetzen. Wir müssen Chancen versus vermeintlichen Schutz diskutieren – ein walled garden bewahrt Gartenzwerge.
(Dieser Kommentar erschien auch schon direkt beim angesprochenen Interview)
Ja, der JMStV ersetzt keine Bildungsoffensive zu Medienfragen. Das leisten auch andere gesetzliche Regeln nicht. Ob eine gesetzliche Verpflichtung zu guter Bildungspolitik hilft, glaube ich nicht. Da muss jeder in seinem Land schauen, ob das Bildungsministerium so fit ist wie in Rheinlandpfalz. Und wenn nicht, muss man politisch aktiv werden.