Ein Kommentar von Kilian Laurenz.
Die Frankfurter Allgemeine (Sonntags-) Zeitung hat in ihrer Ausgabe vom 15. August die These aufgestellt, Erfolge der Providerhotline INHOPE beim Löschen kinderpornographischer Inhalte im Netz seien „meist nur vorgegaukelt“.
Das wäre natürlich spektakulär: Der Providerverband eco hätte als nationale Mitgliedsorganisation von INHOPE Erfolge bejubelt, die es gar nicht gab. So ist der Tenor des besagten Artikels von Stefan Tomik. Spiegel Online griff die Story (nach der qualitätsjournalistisch üblichen Gegenrecherche?) eilig auf. Ebenso natürlich die Unbelehrbaren in der Politik.
Diese phantastische Erzählung hat – und das trat schnell zutage – den Nachteil, dass sie, um im Sprachgebrauch zu bleiben, „nur vorgegaukelt“ war. Wie bei Heise, Netzpolitik und natürlich auch bei eco selbst nachzulesen, ist die Geschichte vergleichsweise simpel: Im Juli 2009 (!) hatte der eco aus Anlass der politischen Diskussion um Netzsperren die Arbeit von INHOPE hinterfragt und überprüft. Bei dieser Untersuchung stellte sich – nicht verwunderlich – heraus, dass das Löschen entsprechender Inhalte immer dann problematisch war, wenn über INHOPE nicht die Hostprovider im betreffenden Staat direkt kontaktiert wurden, sondern der Dienstweg über die lokale Polizei eingeschlagen wurde.
Inzwischen arbeitet INHOPE – genauso wie seit diesem Jahr auch das BKA – daran, die Abläufe beim Löschen entsprechender Seiten zu verbessern. Und so schafft das BKA jetzt das Löschen entsprechender Seiten auch besser als zuvor.
Damit bricht die vermeintliche Story der FAZ FAS natürlich endgültig in sich zusammen. Wenn sogar das BKA in der Lage ist, Fortschritte zu erzielen, so dürfte es nicht mehr darauf ankommen, ob eco/INHOPE im Juli letzten Jahres Probleme entdeckt hatte – zumal, wenn diese zwischenzeitlich behoben wurden.
Was man sich jedoch aus Anlass des sonst recht fruchtlosen Streits um Erfolgsstatistiken noch einmal vergegenwärtigen kann ist:
- Das Zugangserschwerungsgesetz wurde erlassen ohne jeden empirischen Nachweis einer Notwendigkeit oder seiner Wirksamkeit und ohne jede Überprüfung der Faktenlage. Die momentane „Evaluierungsphase“ dient dazu, wenigstens nachträglich zu prüfen, warum und wofür man überhaupt ein solches Gesetz gemacht hat. Diese Evaluierungsphase ist aber nicht geeignet, die Wirksamkeit von "Sperren" darzulegen.
- Schon während der Evaluierungsphase ergibt sich Verbesserungsbedarf, insbesondere hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen und mit den Polizeibehörden. Es zeigt sich, dass jahrelanger polizeibehördlicher Müßiggang jetzt offenbar im Hauruckverfahren korrigiert werden muss.
- Und dabei fällt ganz unangenehm auf: Fehler lassen sich wohl in der Politik noch schwerer zugeben, als schon im normalen zwischenmenschlichen Bereich. Die Befürworter von Netzsperren im Kampf gegen Kinderpornographie hätten es sonst nicht nötig, einen vermeintlichen Misserfolg beim Löschen kinderpornographischer Inhalte mit diebischer Schadenfreude zu kommentieren. Ginge es „nur“ um den Kampf gegen Kinderpornographie, dann dürfte man ein ergebnisoffenes und konstruktives Engagement erwarten.
Letztlich aber zeigt sich auch: Die ausschließliche Alternativität „Löschen oder Sperren“ gibt es in dieser Form nicht. Was von Sperrbefürwortern gegen das Löschen ins Feld geführt wird, ist doch:
- Die Hostprovider sollten nicht sofort und direkt durch das BKA zum Löschen aufgefordert werden, weil das polizeiliche Ermittlungen behindern könnte. Ja, aber das ist bekanntlich beim Sperren auch der Fall.
- Löschen braucht eine gewisse Zeit. Ja, aber wer die Täter nicht durch Netzsperren vorwarnen will, muss ja auch erst der Polizei im Ausland einen zeitlichen Vorsprung einräumen, damit diese Ermittlungsansätze prüfen und Beweise sichern kann.
- Durch das „Löschen“ verschwinden die Bilder nicht vollständig aus dem Netz; Kopien können an anderen Orten wieder auftauchen. Das ist aber erst recht bei „Sperren“ der Fall, denn dort wird die gefundene Kopie schon nicht aus dieser Stelle des Netzes beseitigt.
Was sich zeigt ist, dass der wahre Gegensatz zwischen der Strafverfolgung der Täter versus „Löschen" oder "Sperren“ verläuft. Mit „Löschen" oder "Sperren“ ist für die Zukunft wenig gewonnen – aber das Löschen ist zumindest zielgerichtet und effektiv. Was aber mit der Dauer der politischen Auseinandersetzung immer klarer wird: In der Zusammenarbeit der nationalen Polizeibehörden mit- und untereinander gibt es keinen mit strafrechtlichen Mitteln geführten „Kampf gegen Kinderpornographie im Internet" – der wird uns mit einer Scheindebatte nur vorgegaukelt. Oberstes Ziel muss daher die Strafverfolgung sein, kombiniert mit dem Entfernen der Inhalte. Nur so lässt sich nachhaltig Kriminalität bekämpfen und kann der Schutz der Kinder voran getrieben werden.
Danke.
_Wie schnell löscht das BKA?_
Weiß jemand, wie lange es von der Meldung bei einer deutschen Polizeibehörde bis zur Löschung bei einem deutschen Hoster dauert?
Mir schweben verschiedene Szenarien vor:
1. Man mailt einen Fund direkt dem BKA.
2. Man benutzt das Onlineformular seines zuständigen LKA.
3. Man macht das, was man üblicherweise macht, wenn man eine Straftat meldet, man wählt die 110 und diktiert dem Polizisten die URL.
Welchen Einfluss hat der Wochentag und die Urzeit, Montag vormittags, Freitag nachmittags, Samstag, Sonntag oder 1:00 Uhr nachts?
Wieviele Behörden werden beteiligt?
Nehmen wir an, die Bilder werden in Wiesbaden gehostet.
Man wohnt im verträumten Sauerland und wählt die 110. Zuständige Polizeibehörde ist der Oberkreisdirektor Hochsauerlandkreis. Von dort geht ein Telex an das LKA NRW und die wenden sich an das LKA Hessen?
Oder wie oben unter 1., man mailt einen Fund dem BKA. Fährt dann eine schwarze S-Klasse mit Blaulicht zum Hoster, um die Festplatte zu beschlagnahmen ,) - ohne sich vorher beim LKA Hessen zu informieren, ob dieses bereits ermittelt und die Sicherstellung noch hinauszögert, um nicht nur an die Konsumenten, quasi die kleinen Fische, sondern auch an die Hintermänner zu gelangen?
In meinem Blog habe ich u.a. den Artikel von Herrn Tomik in ähnlicher Weise kritisiert: http://guedesweiler.wordpress.com/2010/08/17/sommerloch-2010/
In einem Kommentar zum FAS- Artikel habe ich dann sowohl zu meinem Artikel als auch zu der inzwischen speziell dazu herausgegebenen Pressemitteilung von ECO verlinkt. Im Prinzip kann ich Verstöße gegen die Kommentarrichtlinien der FAZ (FAS) ausschließen, doch trotzdem wurde mein Kommentar ohne Begründung zensiert, also nicht veröffentlicht.
Ganz interessant dazu ist noch ein älterer Blogeintrag von mir, wo ich auf die geistigen Ergüsse eines gewissen Dr. Uhl näher eingegangen bin:
http://guedesweiler.wordpress.com/2010/04/08/die-weiswursttheorie-des-doktor-uhl/
Gruß,
TB
@piercyha
Um Konstruktiv ueber dieses Thema zu sprechen empfehle ich ihnen folgenden Link!
http://wikileaks.org/wiki/Einblicke_in_die_Kinderpornoszene
Es ist wichtig, an dieser Stelle zu vermerken, dass die FAS eklatant falsch berichtet hat, nämlich von nur 40% Löscherfolg (statt tatsächlichen 60%). Siehe http://www.taz.de/1/netz/netzpolitik/artikel/1/kinderpornos-halten-sich-im-netz/