Erster SPD-Abgeordneter kündigt JMStV-Ablehnung an

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Wir haben eine erste Antwort auf unseren offenen Brief an die SPD-Landtagsabgeordneten erhalten: der Landtagsabgeordnete Martin Börschel bringt darin seine Ablehnung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages zum Ausdruck. Börschels Antwort hier im Volltext (PDF), im Folgenden einige Ausschnitte (Hervorhebung von mir):

Wenn ich auch Ihre Meinung nicht in jedem Detail und einzelnen Punkt teile, werde ich den jetzigen Entwurf der Novelle in meiner Fraktion ablehnen, weil er mir in seiner Gesamtheit zu viele Schwachstellen beinhaltet.

Natürlich besitzt das Ziel, auch im Internet den bestmöglichen Jugendschutz sicherzustellen nicht nur Gültigkeit, sondern hohe Priorität. Den richtigen Weg aus vielen zu finden, ist aber aufgrund der zahlreichen Wechselwirkungen ein schwieriges Unterfangen. Gerade hier muss meines Erachtens noch grundsätzlich nachgebessert werden.

Mit einer Novellierung des JMStV muss auf geeignete Weise sicher gestellt werden, dass der Jugendschutz im Internet wesentlich verbessert wird. In der jetzigen Fassung sehe ich noch nicht, dass das Schutzniveau signifikant verbessert wird. Wenn also keine deutliche Verbesserung für den Jugendschutz erzielt wird, gleichzeitig aber Risiken für das freie und demokratische Internet entstehen, bestärkt mich das in meinem persönlichen Entschluss, die jetzige Vorlage mit der Forderung abzulehnen, sie entsprechend zu überarbeiten.

 

Dies ist schon mal ein wichtiges Signal, zumal in der Zwischenzeit klar wird, dass es nicht um Verbesserung des Jugendschutzes geht, sondern um Erleichterungen für große Konzerne auf Kosten insbesondere kleinerer und privater Anbieter.

Natürlich muss man genau lesen: Börschel schreibt, dass er den JMStV in der Fraktion ablehnen wird. Üblicherweise läuft die Entscheidungsfindung in den Parlamenten so ab: die einzelnen Fraktionen (in diesem Falle die SPD) einigen sich intern (vor der Abstimmung im Parlament) entweder weitgehend einstimmig auf eine Meinung – in diesem Fall also Zustimmung oder Ablehnung des JMStV. Oder sie stimmen intern darüber ab. Selbst wenn es zu einer knappen Entscheidung kommt, tragen in der Regel alle bei der späteren Abstimmung im Parlament diese Entscheidung mit. Daher ist es jetzt wichtig, dass sich viele Abgeordnete in der Abstimmung in der Fraktion gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag stellen, um dort eine Mehrheit dagegen zu bekommen.

Es kann also nicht schaden, dem eigenen Abgeordneten nochmals zu erklären, dass der neue JMStV den Jugendschutz nicht stärken wird, dafür aber massive Nebenwirkungen und Nachteile mit sich bringt.

 

antwort_akzensur_jmstv-26-11-2010.pdf

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8 Kommentare

es wäre schön, wenn sich weitere abgeordnete besinnen könnten, was es heutzutage bedeutet, politik zu machen, die nicht asozial ist.

vielleicht sogar sozialdemokratisch. ich finde das ermutigend.

.~.

Jaja, die SPD, das sind dieselben, die sich öffentlich gegen die Stoppschilder ausgesprochen hat um dann bei der Abstimmung dafür zu stimmen.
Insofern kann man der SPD eh nicht trauen.

Es bringt ja nichts, jetzt auch noch gegen die letzten klar denkenden der SPD zu wettern. Der Entwurf ist (mal wieder) ein Schnellschuß, über deren Folgen sich wohl niemand im Klaren ist. Es werden (mal wieder) die deutschen Unternehmen - vor allem die kleinen - gegenüber den Mitbewerbern aus dem Ausland schlechter gestellt. Jeder deutsche 12 Jährige kann sich in den Niederlanden oder in Österreich Pornofilme bestellen, ohne daß sich irgendjemand strafbar macht. Während der deutsche Jugendschutz so etwas schon jetzt unterbindet und bei Verstoß mit empfindlichen Strafen verfolgt wird. Aber der jetzige Entwurf geht deutlich über das Ziel hinaus und ändert an der Gesamtsituation rein gar nichts. Bei Xhamster und co kann jeder ohne Altersnachweis oder sonstige Hürden Pornographien jeglicher Gelüste bestaunen, während wir hier nicht einmal mehr Kondome verkaufen dürfen. Da sieht man mal wieder, daß diejenigen, die die Gesetze machen von der Realität nicht im Geringsten auch nur ansatzweise ein Bild haben. Wir lassen zur Zeit eine Verlegung unserer Firmen ins Ausland prüfen. Damit sind Arbeitsplätze und Steuereinnahmen mal wieder futsch. Erinnert irgendwie an die Sache mit den Lotterien. Da wurde im Nachhinein auch zurückgerudert. Da war es aber schon zu spät und tausende Arbeitsplätze sind ins Ausland abgewandert.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist doch nur die konsequente Fortführung des Abbaus gesellschaftlicher und individueller Freiheitsrechte an dessen Ende die alternativlose Unterordnung unter ein System absolutistischer Ökonomie steht.

Ich kann nicht ansatzweise erkennen, wie ein derartiges Gesetzt die Jugend im World-Wide-Web schützen soll. Es sieht eher danach aus, als wäre mit heißer Nadel mal wieder ein Gesetzesantrag einer Lobby umgesetzt worden.

Antwort von MdA Peter Teichel zur Kritik erhalten:


Sehr geehrter Herr Adam,

Ihre Kritik am JMStV kann ich inhaltlich nachvollziehen und unterstützen.
Wir haben unser Abstimmungsverhalten für den 9.12. als Regierungspartei in Berlin am 7.12. in unserer Fraktionssitzung diskutiert.

Persönlich habe ich mich gegen die Unterzeichnung ausgesprochen.

Die Fraktion der SPD hat sich jedoch mit deutlicher Mehrheit für die Unterzeichnung ausgesprochen und ich werde mich der Mehrheitsentscheidung meiner Fraktion anschließen.

Die Gründe hierfür sind:

1. Es wird eine Evaluierung des JMStV geben und ich erwarte, dass sich die Sinnlosigkeit herausstellen wird.

2. Die Bevölkerungsmehrheit wird - aus von mir vermuteter Unkenntnis - nicht verstehen, weshalb sich die SPD - vermeintlichen - Schutzmaßnahmen widersetzt.

Ich würde mich freuen, wenn Sie meine Gründe zumindest nachempfinden könnten.
Für Gespräche zum Thema stehe ich gern zur Verfügung.

--
mit freundlichen Grüßen


Peter Treichel, MdA ______________________________________________________ Abgeordnetenhaus von Berlin
SPD Fraktion

Na das war dann wohl das übliche Störfeuer der Abgeordneten. Das Gesetzt wurde dort ja mal so eben durchgewunken.
Die Politiker sagen ja sogar sie sind dagegen und stimmen dann dafür. Was für ein Irrsinn.

Große Webseitenbetreiber scheinen sich das nicht mehr gefallen lassen zu wollen.
Habt ihr das schon gelesen?
http://www.abnehmen-aktuell.de/ankuendigungen/10644-neuer-jmstv-aufruf-wahlboykott-gegen-gruenen-spd.html

Keine Ahnung ob das rechtlich okay ist aber ich finde das gut, das überhaupt mal jemand etwas macht.

Ich bin auch der Meinung man sollte sich nicht alles gefallen lassen.

NRW stoppt Jugendschutz-Staatsvertrag:

http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/28/0,3672,8171804,00.html

@comrad: Hast du zu deiner Behauptung mit den Stopschildern eine Quelle? Würde mich mal interessieren, wie das abgelaufen ist. Ich habe mich auch schon hier und da mal mit Behauptungen in die Nesseln gesetzt, weil ich nicht genau gelesen habe, was tatsächlich vorgefallen ist.

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