Pressemeldung des Arbeitskreises gegen Internet-Sperren und Zensur zum Brief der Bundesregierung an den Bundespräsidenten, das Zugangserschwerungsgesetz nicht umsetzen zu wollen
Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur begrüßt die Ankündigung der Bundesregierung, sich von Zugangssperren im Internet endgültig zu verabschieden. Mit Unverständnis reagiert der Arbeitskreis darauf, dass das Zugangserschwerungsgesetz vorerst dennoch in Kraft treten und erst in einem zweiten Schritt an einem Aufhebungsgesetz gearbeitet werden soll.
„Im Grunde begrüßen wir die Absicht der Bundesregierung, von Internet-Sperren endgültig Abstand zu nehmen. Bereits vor Verabschiedung des Gesetzes hatten wir vergeblich darauf hingewiesen, dass das Filtern oder "Sperren" der falsche und kontraproduktive Umgang mit illegalen Inhalten im Netz ist. Unter dem Deckmantel des Kinderschutzes darf keine Internet-Zensur-Infrastruktur eingeführt werden", so Alvar Freude vom Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur. "Den Strafverfolgungsbehörden stehen bereits heute alle notwendigen Mittel und Wege zur Verfügung, um effektiv gegen Täter vorzugehen. Eine Ausweitung der Kompetenzen des BKA lehnen wir strikt ab", so Freude.
"Höchst unverständlich ist allerdings, wieso das offensichtlich verfassungswidrige Zugangserschwerungsgesetz dennoch vorerst in Kraft treten soll. Wir appellieren dringend an Herrn Bundespräsident Köhler, dieses Gesetz nicht zu unterzeichnen, da damit erstmal die Grundlagen für eine Internet-Zensur in Deutschland geschaffen würden! Mit dieser Lösung wäre allen Seiten gedient. Es ist zu befürchten, dass das Gesetz auch nicht mehr zurückgenommen wird, sobald es erst einmal in Kraft getreten ist. Die Zensur-Infrastruktur wäre dann jedoch gesetzlich verankert", führt Rechtsanwalt Dominik Boecker vom Arbeitskreis weiter an.
Sollte das Gesetz in Kraft treten und vom Bundestag kein Aufhebungsgesetz verabschiedet werden, wird an einer Verfassungsbeschwerde kein Weg vorbei führen. "Die vom Arbeitskreis bereits geäußerten Bedenken gegen das Gesetz bestehen fort, insbesondere weil sich die Antwort der Bundesregierung sehr ausführlich lediglich mit der Formalie der Gesetzgebungskompetenz des Bundes beschäftigt, ohne diese jedoch abschließend und befriedigend zu begründen", so Boecker.
Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur fordert den sofortigen Stopp des Aufbaus von Filter-Infrastrukturen und eine Bundestagsinitiative zur vollständigen Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes. Er fordert die Politik auf, endlich Schluss zu machen mit der Phantasie ausufernder Internet-Überwachung. Dazu zählt auch die Neufassung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) in den Bundesländern, den der AK Zensur als nächsten Versuch sieht, Vorab-Kontrollen von Inhalten und eine Internet-Zensur-Infrastruktur einzuführen.
Hintergrundinformationen:
Der AK Zensur hat mehrfach auf die verfassungsrechtlichen Probleme des Zugangserschwerungsgesetzes hingewiesen, u.a. in einem Brief an den Bundespräsidenten:
http://ak-zensur.de/2009/07/brief-bundespraesident.html
Ursula von der Leyen wurde 2009 mit dem Big Brother Award in der Kategorie Politik wegen ihres Einsatzes für das Zugangserschwerungsgesetz ausgezeichnet:
http://blog.odem.org/2009/10/bba-zensursula.html
Auch nach Erkenntnissen des BKA werden die meisten Webseiten mit kinderpornographischen Darstellungen aus den USA und Westeuropa einschließlich Deutschland verbreitet. Es ist unverständlich, warum hier nicht stärker gegen die Täter vorgegangen wird.
http://blog.odem.org/2010/01/30/bka-antwort-spd-bulmahn.pdf
http://ak-zensur.de/chart-au-liste-legende.jpg
"Oft waren die Inhalte in 15 Minuten gelöscht"
http://www.golem.de/1002/72951.html
Stellungnahme vom AK Zensur zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag:
http://ak-zensur.de/2010/01/jmstv-stellungnahme.html
Kommentar zur Anhörung zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag:
http://ak-zensur.de/2010/01/jmstv-anhoerung.html
Aussender:
Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur)
http://ak-zensur.de/
Pressekontakt:
presse@ak-zensur.de
Alvar Freude, Tel. (0179) 13 46 47 1 (bitte NICHT in andere Blogs übernehmen sondern hierher verweisen!)
Über den Arbeitskreis gegen Internet-Sperren (AK Zensur):
Dem AK Zensur gehören unter anderem an, in alphabetischer Reihenfolge: der Antispam e.V., die Initiative falle-internet.de, der FoeBuD e.V, der Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft e.V. (FITUG), das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V.(FIfF), die MissbrauchsOpfer gegen InternetSperren (MOGIS), netzpolitik.org, ODEM.org, Spreeblick, der Trotz Allem e.V. und zahlreiche Einzelpersonen.
»Löschen statt sperren«. Ich kann es nicht mehr hören! So ein Käse! Die eine, scheinbare Zensur mit den sinnlosen DNS-Sperren, die sich hinterher eh nur als bloßes populistisches Konstrukt herausstellten, ablehnen, aber dafür die effektivere Zensur in Form von Löschen befürworten.
Wenn ich eine Datei von einem fremden Server lösche, die mir nicht passt, ist das selbstverständlich auch Zensur.
Gut, der Schlaue ist auf sowas natürlich vorbereitet und hat Backups und sucht sich dann halt den nächsten Server. So ist das Internet nun mal aufgebaut.
Aber mir gefällt trotzdem nicht die Anerkennung des Staates als Autorität, die darüber entscheiden darf, was auf deutschen Servern liegen darf und was nicht. Und genau das ist eigentlich Befürwortung von Zensur, denn Zensur ist ja gerade die Macht darüber, was über einen Kommunikationskanal fließen darf und was nicht.
Der ganze Aktion sagt einerseits, eine Zensurinfrastruktur darf nicht aufgebaut werden, andererseits wird gesagt, im heutigem System kann man mit den Behörden problemlos eine »illegale Seite« (was auch immer das sein soll) rauskicken, also, dass also bereits eine Zensurinfrastruktur existiert.
Löschen statt Sperren ist der richtige Weg, wenn man grundsätzlich den Staat als Wächter über das Internet anerkennt. Für alle anderen ist diese Aktion allerdings eine Nebelkerze, die scheinbar gegen, aber in Wirklichkeit für Zensur gerichtet ist.
»Löschen statt sperren«. Man könnte auch sagen »richtig zensieren statt amateurhaft zensieren«.