Kategorie: Hintergrundinformationen  

Netzneutralität für Dummies

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Die Debatte um die Netzneutralität ist in vollem Gange. Doch was geht mich das an? Ich sage es Euch: die Internetfirmen wollen immer nur das Eine, nur unser Bestes! Sie wollen unser Geld. Zugegeben, manche möchten auch noch Moral. Ganz als gingen Moral und Geld irgendwie zusammen.

 

Eine Übersetzung des Aufrufs von Jérémie Zimmermann and Philippe Aigrain von "La Quadrature du Net".

 

Morgen, am 6.4.2011, findet ein Treffen der Europäischen Kommission statt, auf der über die Zukunft der europäischen Urheberrechtspolitik entschieden wird. Diese Richtungsbestimmung findet unter Umständen statt, die aus demokratischer Sicht äußerst besorgniserregend sind und wesentliche Grundrechte einem Risiko aussetzen - besonders im Hinblick auf das Internet.

 

Vor mehr als vier Monaten war die Anhörung im Rechtsausschuss zu den drei Aufhebungsgesetzen zum ZugErschwG. Getan hat sich seitdem: nichts!

Politiker, insbesondere aus Reihen der CDU/CSU, fordern immer noch und immer wieder die Internetsperren (obwohl ihnen deren Unsinnigkeit oft genug erklärt wurde). Das Zugangserschwerungsgesetz soll momentan ausgesetzt sein (das BMI weigert sich aber, hierzu nähere Informationen herauszugeben). Die Juristen im AK Zensur haben Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz erhoben und wir sind sehr zuversichtlich, dass das ZugErschwG die Prüfung durch das BVerfG wegen der in diesem Gesetz vorhandenen Grundrechtsverstöße und Fehler im Gesetzgebungsverfahren nicht überstehen wird. Aus den Niederlanden kam vor kurzem die Nachricht, dass die dortigen Provider nicht weiter freiwillig sperren werden, weil es nicht mehr allzuviele zu sperrende Seiten gäbe. In Brüssel werden von Freiwilligen, denen wir auch dafür sehr sehr dankbar sein müssen, viele Hintergrundgespräche geführt, um das politische Vorhaben in sinnvolle Bahnen zu lenken.

Wir sind nach meiner Auffassung auf einem guten Weg, wobei sich aber eine Frage, die Kernfrage, stellt: Wie kann und soll es weitergehen?

 

Schon gewusst? Die Deutsche Telekom AG hat mit Gabriele Schmeichel nicht nur eine Jugendschutzbeauftragte, die in Personalunion die Vorsitzende der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM) ist. Die Deutsche Telekom AG betreibt mit erotic lounge auch ein Soft- und Hardcore-Porno-Portal, in das sie offensichtlich viel Geld rein gesteckt hat. Da gibt es dann so interessante Filme wie die „Satansweiber Von Tittfield“*, „Paare Privat – Intime Liebesspiele nur zu zweit“ oder „Sex - Porno für Paare“ (Vol. 1 bis 3). 

Was daran so interessant ist? Nun, die FSM und ihre Vorsitzende preisen den neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) an. Der soll ja den Jugendschutz stärken und so weiter. In Wirklichkeit hat die Telekom aber ein Problem, das sie mit dem neuen JMStV zu kippen hofft: in der erotic lounge wollen sie zwar Soft-Pornos verkaufen (einen Hardcore-Bereich gibt es auch, aber das ist hier erstmal egal), aber bei derzeitiger Gesetzeslage dürfen sie das nur Nachts oder nach einer Altersverifikation. Nachts ist dumm, denn die meisten Porno-Konsumenten sind zwischen 13 und 15 Uhr sowie 20:30 und 22:00 aktiv. Und Altersverifikation mag keiner. Aber, da kommt der neue JMStV ganz recht: mit dem reicht es aus, die Webseiten mit einer Alterskennzeichnung zu versehen. Dann darf der Kram auch tagsüber verbreitet werden, da die Filme eine Einstufung ab 16 bzw. ab 18 Jahren haben. Toll für die Telekom und ihre Jugendschutzbeauftragte, toll für die FSM. 

Am heutigen Montag findet im Unterausschuss Neue Medien des Bundestages ein Gespräch mit Sachverständigen zum Thema „Kampf gegen Darstellung von Kindesmissbrauch im Internet: technische und organisatorische Fragen“ statt.

Ich bin als Sachverständiger geladen und habe eine umfangreiche Stellungnahme geschrieben.

Die Sitzung wird auch Live im Internet übertragen. Zwischendurch hieß es im lesenswerten Bericht bei netzpolitik.org, dass es zeitversetzt kommt, aber mein letzter Stand ist, dass es wirklich live übertragen wird, und das stimmt: ab 14 Uhr zeitversetzter Stream. Infos dazu kommen sicher auf http://www.bundestag.de/

 

Stellungnahme-AK-Zensur--UANM--Sperren--2010-10-21--komplett.pdf

AK Zensur veröffentlicht BKA-Dokumente, die zeigen: das »Löschen« wurde bisher halbherzig durchgeführt, deswegen will BKA Sperren

In der Diskussion um die Einführung von Netzsperren wird von Seiten des BKA immer wieder behauptet, dass das Entfernen der Inhalte nicht möglich sei oder zu lange dauere. Erst hieß es, die Inhalte würden aus Bananenrepubliken verbreitet – erst als das Gegenteil nachgewiesen wurde, ließ man diese Behauptung fallen. Nun heißt es, die USA löschen zu langsam. Uns liegen jetzt Dokumente vor, die zeigen, was für aufmerksame Beobachter nicht zu übersehen ist: Die internationale Zusammenarbeit läuft schlecht, die Bemühungen zur Entfernung kinderpornografischer Inhalte waren bisher inkonsequent und unkoordiniert. Dennoch sagt das BKA auf Basis der bis dato gemachten Erfahrungen, Löschen funktioniere nicht gut genug – und betreibt weiterhin massive Lobbyarbeit für Access-Sperren und damit für die Anwendung des Zugangserschwerungsgesetzes.

Das Herumlavieren hat Methode: Noch am 13. August 2009 behauptete BKA-Präsident Jörg Ziercke, man könnte im Internet nicht gegen Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern („Kinderpornografie“) vorgehen, weil diese über Bananenrepubliken und andere so genannte failed states verbreitet werden würden, und man habe da eben keine Möglichkeiten (vgl. MP3-Mitschnitt der Veranstaltung). Dies war die Begründung, warum man denn unbedingt Sperren brauche.

Dabei war dem BKA schon damals bekannt, dass die überwiegende Mehrzahl einschlägiger Angebote auf anderen Sperrlisten aus den USA kommt sowie aus Staaten der EU: Am 9. Juni schrieb Regierungsdirektor Jürgen Maurer (seit Februar 2010 BKA-Vizepräsident) an die Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages eine Zusammenstellung der Länder, aus denen die Inhalte verbreitet werden, die auf der dänischen Sperrliste stehen.

In den letzten Tagen kamen an verschiedenen Stellen wieder Fragen auf, ob denn gegen das Zugangserschwerungsgesetz eine Verfassungsbeschwerde vorbereitet werde.

Im Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur (AK Zensur) engagieren sich auch ungefähr ein Dutzend Juristen (Rechtsanwälte, Justiziare, Referendare, Studenten), die für das Projekt eine geschlossene Mailingliste betreiben, auf der sie sich zu dem Projekt Verfassungsbeschwerde austauschen sowie Lösungen, Konzepte und juristische Strategien erarbeiten.

Es gibt bislang aber noch keine konkreten Entwürfe, sondern lediglich einen vorläufigen Zeitplan: Das Zugangserschwerungsgesetz trat nach Verkündung im Bundesgesetzblatt am 23. Februar 2010 in Kraft. Nach § 93 Abs. 3 Bundesverfassungserichtsgesetz muß innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten die Verfassungsbeschwerde erhoben werden. Diese Frist werden wir wahren.

Da momentan Urlaubszeit ist, werden erste Diskussionsentwürfe erst im September geschrieben werden. Anfang des vierten Quartales wird dann die Detailarbeit an der Beschwerde stattfinden, um diese danach jederzeit einreichen zu können.

Wir, der AK Zensur, werden rechtzeitig den Kontakt mit weiteren Mitstreitern suchen und an dieser Stelle weiterführende Informationen zu der Verfassungsbeschwerde veröffentlichen. Die Planungen und Überlegungen zur Einreichung einer Verfassungsbeschwerde gegen das Zugangserschwerungsgesetz bedeutet aber keinesfalls, dass wir die politische und journalistische Arbeit oder unser anderweitiges Engagement gegen das Gesetz einstellen.

Nach einem Bericht (Übersetzung unten) des schwedischen Europaabgeordneten Christian Engström thematisiert die Musikindustrie gezielt sexuellen Missbrauch von Kindern, um Internet-Sperren durchzusetzen und diese auch auf andere Themen auszudehnen. So habe der dänische Lobbyist Johan Schlüter bereits bei einer Veranstaltung 2007 gesagt:

Kinderpornografie ist großartig, weil Politiker Kinderpornografie begreifen. Mit diesem Thema kriegen wir sie dazu, zu handeln und Websperren einzuführen. Sobald wir das geschafft haben, werden wir sie dazu bringen, auch Filesharing-Seiten zu blockieren.

Der folgende Artikel ist eine Übersetzung eines Textes von Matti Nikki aus Finnland. Er zeigt darin, wie die Kinderschutzorganisatiom Save the Children, die maßgeblich an der Etablierung von Internet-Sperren in Finnland und anderen skandinavischen Ländern beteiligt war, über Monate hinweg selbst bei der Verteilung von „Kinderpornografie“ indirekt mitgeholfen hat. Er zeigt die Problematik des Overblocking und wie schnell man zum Verbreiter einschlägiger Inhalte werden kann.

Nach einem Vorschlag von Cecilia Malmström, EU-Kommissarin für Innenpolitik, sollen alle EU-Länder eine Sperr-Infrastruktur im Internet aufbauen. Damit sollen Webseiten, die den Missbrauch von Kindern darstellen, blockiert werden. Wir warnen vehement vor dem Versuch, derartige Zensur-Infrastrukturen nun auf europäischer Ebene vorzuschreiben.

Generell muss es darum gehen, Abbildungen von sexuellem Kindesmissbrauch aus dem Internet zu entfernen und die Täter zu verfolgen, statt diese Inhalte zu verstecken und die Täter damit zu schützen. Internet-Sperren sind Unfug, denn das Löschen der Dateien ist weltweit möglich. Die Strafverfolgung der Täter muss im Sinne der Opfer vorangetrieben werden.

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