Zum Scheitern der Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages durch die Landtage von Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen Stellungnahmen von einigen Mitgliedern und Unterstützern des Arbeitskreises gegen Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur):
Jörg-Olaf Schäfers, Netzpolitik.org:
"Das Scheitern des JMStV in der vorliegenden novellierten Form ist ein Sieg der Vernunft. Ich möchte mich da vor allem bei den zahllosen Mitgliedern der 'Netzgemeinde' bedanken, die ihn durch ihre – auch parteiübergreifende – Arbeit doch noch möglich gemacht haben. Die Entscheidung ist eine große Chance für einen zeitgemäßen Jugendschutz im Netz. Ich freue mich auf eine breite und sachliche geführte Debatte im nächsten Jahr."
Thomas Stadler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Informationstechnologierecht:
"Die Ablehnung der Novellierung des JMStV kann nur ein erster Schritt sein. Die Politik muss zur Kenntnis nehmen, dass die Ziele des Jugendmedienschutzes nicht primär durch Ge- und Verbote gegenüber Anbietern erreichbar sind. Sowohl der Gesetzgeber als auch die zuständigen Behörden müssen sich von dieser Vorstellung verabschieden. Aufgabe des Staates wird es künftig vor allen Dingen sein, für die Vermittlung von Medienkompetenz zu sorgen."
Alvar Freude, Mit-Gründer des AK Zensur und Vorstand im Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft e.V.:
"Weder die 'Netzgemeinschaft' noch die Medienpädagogik wurden in den Entwicklungsprozess des neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrages einbezogen. Die Verhandlungen wurden von der Rundfunkkommission der Länder zusammen mit Industre-Vertretern hinter verschlossenen Türen geführt. Es ist zu hoffen, dass die Politik nun ihr Versprechen einlöst und die wirklich Betroffenen in die Entwicklung neuer Regelungen einbezieht. Dann besteht die Chance, neue, moderne, technisch ausgereifte und medienpädagogisch sinnvolle Maßnahmen zu finden. Wir sind gerne bereit, daran mitzuwirken!"
Frank Guthausen vom Datenschutzraum e.V.:
"Ich begrüße den politischen Mut, eine Entscheidung nach den Maßstäben der Vernunft und frei von Parteizwängen und Staatsräson zu treffen. Damit übernimmt Nordrhein-Westfalen als Medienkompetenzland die führende Rolle in Deutschland."
Dominik Boecker, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Informationstechnologierecht:
"Es ist erfreulich zu sehen, dass die Politik auf die warnenden Stimmen gehört hat. Der Stopp eines rechtlich und tatsächlich mehr als verunglückten Reformvorhabens war angezeigt, weil durch die Weitergeltung des alten JMStV auch keine Schutzlücke entsteht. Jetzt soll und muß eine sinnvolle Reform des JMStV diskutiert werden und den dafür erforderlichen Dialog mit allen an dem Thema interessierten Gruppen wird der AK Zensur gerne führen."
Daniel Flachshaar, Mitglied des Bundesvorstandes der Piratenpartei:
"Die Ablehnung des JMStV eröffnet die Chance, über den Jugendschutz zusammen mit Medienpädagogen, der Netzgemeinschaft als auch Eltern neu zu nachzudenken. Diese Möglichkeit müssen wir jetzt ergreifen."
Jürgen Ertelt, Medienpädagoge und Projektkoordinator bei Jugend online:
"Medienpädagogik muss gesetzlich integrierter Bestandteil von Jugendschutz werden. Ohne Medienkompetenz-Stärkung von Jugendlichen, Eltern und Entscheidern wird es keine erfolgreiche Prävention geben. Grundsätzlich muss ein Werte-Diskurs mit allen Betreffenden eröffnet werden und ein transparenter Novellierungsprozess des Jugendschutzes unter Teilhabe der Adressaten erfolgen. Nur so ist eine breite Akzeptanz ausgehandelter Jugendschutz-Maßnahmen zu erreichen."
Malte Spitz, Mitglied des Bundesvorstandes von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
"Ein Neuanfang beim Jugendmedienschutz-Staatsvertrag muss eine internationale Perspektive beinhalten. Alleine auf nationale Lösungen zu setzen verkennt die Bedeutung des Jugendmedienschutzes, den es zukunftsfähig mit internationalen Blick auszugestalten gilt"
Lasse Becker, Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen:
"Ein praxistauglicher Jugendschutz im Internet muss deswegen diesem besonderen Charakter der Interaktion vor allem von Menschen und nicht nur von Firmen gerecht werden. Der bisherige Entwurf des JMStV konnte genau diese Ansprüche nicht erfüllen. Wer den Text liest, muss ihn als trauriges Indiz dafür werten, dass ein Großteil der Vorhaben offensichtlich nicht von Leuten stammt, die sich regelmäßig im Internet bewegen. Es liegt nun an den Ministerpräsidenten, zum Beispiel gemeinsam mit der Enquete-Kommission im Bundestag, einen guten Staatsvertrag unter Beteiligung von Experten zu entwickeln."
Henning Tillmann, Mitglied des Gesprächskreis „Netzpolitik und Digitale Gesellschaft“ des SPD-Parteivorstands:
"Die parteiübergreifende Ablehnung der JMStV-Novelle ist ein Erfolg für die Demokratie. Parteimitglieder und Funktionäre, unabhängige Gruppen wie der AK Zensur, sowie Einzelpersonen arbeiten gemeinsam für ein Projekt. Die Anhörungen in den Landtagen und viele persönliche Gespräche haben gezeigt, dass Parteien dialogbereit sind. Fazit: gegenseitiger Respekt bringt mehr als Diffamieren der Gegenseite."
Aussender:
Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur)
http://ak-zensur.de/
presse@ak-zensur.de
Alvar Freude, Tel. (0179) 13 46 47 1
Über den Arbeitskreis gegen Internet-Sperren (AK Zensur):
Der Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur) ist ein formloser und überparteilicher Zusammenschluss verschiedener Online-Bürgerrechtsorganisationen, Internet-Aktivisten, Netzpolitikern, Juristen, Medienwissenschaftlern, Medienpädagogen und Technikern.
Ursprünglich als Bündnis gegen die Pläne zur Einführung von Internet-Sperren und das Zugangserschwerungsgesetz gegründet, beschäftigt sich der AK Zensur auch mit verwandten Themen wie Internet-Filtern („Jugendschutzprogrammen“) und dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag.
http://ak-zensur.de/